Johannes Christian Bernhardt. Die jüdische Revolution: Untersuchungen zu Ursachen, Verlauf und Folgen der hasmonäischen Erhebung. KLIO Beiträge zur Alten Geschichte 22. Berlin: Walter de Gruyter, 2017. 726 Seiten, EUR 99.95, ISBN 978-3-05-006481-9

René Bloch  
Universität Bern

Mit seiner althistorischen Freiburger Dissertation hat Johannes Christian Bernhardt ein gewaltiges Buch über das „pièce de résistance“ der antiken jüdischen (und seleukidischen) Geschichte vorgelegt. Auf über 700 Seiten geht Bernhardt dem Verlauf des makkabäischen/hasmonäischen Aufstands und der seleukidischen Politik in Judäa nach. Entstanden ist ein exzellent geschriebenes, zumeist klug abwägendes, in seinen Schlussfolgerungen aber fragwürdiges Buch. In neun meisterhaft aufgebauten Kapiteln, die häufig gleichsam mit einem „cliff hanger“ enden, führt Bernhardt den Leser von der Problemstellung bis zur Lösung. Was die seleukidische Geschichte unter Antiochus IV. bekanntlich ganz „unüblich und völlig rätselhaft“ (4) macht, ist das sogenannte Religionsedikt des Königs aus dem Jahr 168 v. Chr., das gemäß dem ersten Makkabäerbuch im Wesentlichen zu einem Verbot des Judentums geführt hätte. Das Edikt zweifelt Bernhardt (wie manche vor ihm) an. Seine Hauptthese, die sich – wie dem Leser erst am Ende klar wird – im scheinbar harmlosen Titel des Buches („Die jüdische Revolution“) widerspiegelt, stellt das Edikt gleichsam auf den Kopf: Antiochus IV. Epiphanes hat letztlich den Raum geschaffen, in dem das Judentum erst entstand. Doch der Reihe nach. In den ersten 70 Seiten klärt Bernhardt seinen Ansatz und erläutert die Quellenproblematik. Bernhardt geht die Arbeit „kulturwissenschaftlich mit positivistischer Grundierung“ (12) an und hält sich durchweg an dieses methodische Konzept. Seine Darlegung der Quellen und ihrer jeweiligen Problematik ist hervorragend. Man kann auf sie als verlässliches Repositorium zurückgreifen. Dass es im Laufe der Forschung zu den verschiedensten Interpretationen dessen, was zwischen 168 und 140 v. Chr. in Palästina geschehen ist, gekommen ist (Bernhardt beschreibt 13 Deutungsansätze), hängt mit der äußerst schwierigen Quellenlage zusammen: Das Danielbuch und erst recht die Makkabäerbücher nehmen eine einseitig prohasmonäische Sicht ein, Josephus’ Darstellung ist von seinem Hauptinteresse (dem jüdisch-römischen Krieg) geprägt und auf paganer Seite ist die Überlieferungslage, gelinde gesagt, lückenhaft: Polybius ist in den hierfür relevanten Stellen fast nicht erhalten. Eher selten zur Hand genommen, von Bernhardt aber fruchtbar gemacht, werden Exzerpte des Porphyrius in Eusebius’ Daniel-Kommentar (nach Porphyrius wurde ein Kultbild des Zeus Olympios im Jerusalemer Tempel errichtet). Bernhardt will „ergebnisoffen“ (32) eine „möglichst systematische Analyse von Handlungsmustern und Strategien der Hasmonäer“ (33) durchführen. Das gelingt ihm insgesamt sehr gut. Seltsam ist Bernhardts Entscheid, auf zwei pagane Quellen als Orientierungspunkte fast ganz zu verzichten: Diodor und Tacitus. Letzterer schreibt in seinem Judenexkurs, Antiochus habe versucht, den Juden ihren Aberglauben zu nehmen und ihnen griechische Sitten zu geben (hist. 5,8,2: rex Antiochus demere superstitionem et mores Graecorum dare adnisus) und nach Diodor hat Antiochus versucht, die eigentümlichen Gesetze der Juden abzuschaffen. Nach Bernhardt sind diese Stellen ein Nachklang zur hasmonäischen Propaganda bzw. eine Reaktion „auf die Konstruktion des hasmonäischen Gründungsmythos“ (483). Wie man sich vorzustellen hat, dass pagane Quellen auf die Makkabäer-Bücher zurückgriffen, bleibt dabei völlig offen. Durch das vorschnelle Wegschieben von Diodor (im Epilog kurz besprochen) und Tacitus, die von einer aktiven Judenpolitik Antiochus’ sprechen, vergibt sich Bernhardt eine noch ergebnisoffenere Diskussion der Quellen.

Bernhardt spricht in seiner Dissertation konsequent nur von Judäern, nicht von Juden (sogar noch in Bezug auf das heutige Chanukka-Fest heißt es auf S. 13: „Alljährlich feiert das Judentum“). Die Frage, wie griechisch Ioudaios bzw. lateinisch Iudaeus am besten wiedergegeben werden kann, ist seit den diesbezüglichen Diskussionsanschüben von Steve Mason (Journal for the Study of Judaism 38 [2007]: 457–512) heftig umstritten. Die Debatte ist eng mit einer weiterführenden verbunden: Ab wann kann von Judentum gesprochen werden? Bernhardt schließt sich Mason und Shaye Cohen an, indem er zum einen hinter dem Begriff Ioudaios zuerst eine ethnisch-geographische Konnotation sieht, zum andern die Anfänge des Judentums ins zweite Jahrhundert v. Chr. setzt. Mit Recht diskutiert Bernhardt den Wert der Bücher Esra und Nehemia für die persische Zeit kritisch (74–83), dass aber „Religion in vorhasmonäischer Zeit nicht das zentrale Definitionskriterium für die Zugehörigkeit zu den Judäern bildete“ (84), ist schlicht falsch. Hekataios von Abdera (von Bernhardt S. 88–92 besprochen) schildert um ca. 300 v. Chr. in seinen Aigyptiaka die Juden durchaus auch in religiösen Paramatern. Hekataios, nur indirekt überliefert, wird mehr über die jüdischen Sitten geschrieben haben als das, was bei Diodor zu lesen ist. Aber auch der überlieferte ethnographische Exkurs spricht (teils durchaus polemisch) wesentliche, auch später prägende Aspekte des Judentums an: das Ideal der Separation, den Anikonismus, das Opferwesen, Heirats- und Begräbnissitten. Dass Beschneidung und Sabbat – im erhaltenen Text! – nicht vorkommen, heißt nicht, dass diese noch nicht Teil der religiösen Sitten der Juden gewesen sind. Auch die Anfänge der Septuaginta, ab der Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr., wären als ein vorhasmonäischer Beleg – kein kleiner! – eines religiösen Judentums zu verstehen.

Sehr überzeugend ist wiederum Bernhardts vorsichtig abwägende Diskussion der Präsenz des Hellenismus in Judäa. Auch die Schwächen von Martin Hengels fundamentalem Werk Judentum und Hellenismus, das das hellenistische Judentum mitunter als praeparatio evangelica liest, werden angesprochen. Richtig hält Bernhardt fest, dass „die Aufnahme griechischer Kulturgüter die Glaubensvorstellungen und Judäertümer einzelner Gruppen nicht in Frage stellte“. Die Juden standen auch in Jerusalem nicht vor einem Scheideweg zwischen Hellenismus und Judentum: „Weder der Bund mit dem einen Gott noch die Bedeutung des Tempels in Jerusalem oder religiöse Regelungen wurden durch die Auseinandersetzungen grundsätzlich in Frage gestellt oder angegriffen“ (128). Hellenismus ist im 2. Makkabäerbuch, in dem sich der Begriff zum ersten Mal findet, als Problem eine „Deutung ex post“ (163). Auch bei der Ablösung Onias’ III. durch Jason standen nicht unterschiedliche Weltanschauungen auf dem Spiel, sondern schlicht die Machterhaltung der Oniaden.

Den historischen Ablauf zeichnet Bernhardt in den großen Linien einleuchtend nach: Jason erwirkte bei Antiochus IV. die Konstituierung Jerusalems als Polis. Nach dem für Antiochus IV. dramatisch-enttäuschenden Ende des 2. Ägyptenfeldzugs („Tag von Eleusis“) schlägt er im August 168 die Unruhen in Jerusalem nieder. Das berühmte Religionsedikt (1 Makk 1,41–2), wonach Antiochus IV. an sein ganzes Reich schrieb und alle aufforderte, die eigenen Bräuche aufzugeben und zu einem Volk zu werden, hält Bernhardt zumindest „für eine starke Übertreibung und Projektion aus der Perspektive des judäischen Autors“ (239). Bernhardt bestreitet nicht, dass Antiochus IV. den Jerusalemer Tempel nach Zeus benannte und ein Kultbild errichtete, bezweifelt aber, dass damit „die Abschaffung des bisherigen Kultes intendiert“ (250) gewesen sei. Nach Bernhardt handelte sich um eine im Ansatz harmlose Interpretatio Graeca, die letztlich scheiterte und zu einer „Misinterpretatio“ wurde (254). Letzteres, dass Antiochus IV. sich der kultischen Tragweite seines Eingriffs im Jerusalemer Tempel nicht bewusst gewesen sei, ist indes nicht sehr wahrscheinlich. Wenn man im Auge behält, dass die Auseinandersetzung zwischen Seleukiden und Juden unter Antiochus IV. die Ausnahme von der Regel war (vor und nach Antiochus IV. wurden religiöse Bedenken der Juden berücksichtigt), ist kaum anzunehmen, dass dem König die Tragweite seines Agierens nicht bewusst gewesen sein soll. Das wirkliche Ausmaß der Eingriffe von Antiochus IV. in den jüdischen Kult bleibt schwer einzuschätzen. Die literarisch-dramatischen Verarbeitungen in den Makkabäerbüchern können sicher nicht für bare Münze genommen werden. Die heftigen Auseinandersetzungen mit dem seleukidischen Reich wurden zum „hasmonäischen Gründungsmythos“. Solche Mythen können freilich, wie Bernhardt weiß, sehr wohl einen „historischen Kern“ haben (261). Nach Bernhardt kam es im Dezember 168 zu Kulteingriffen, aber nicht zu einer systematischen Verfolgung. Etwas seltsam mutet an, wenn Bernhardt das seinerseits stark mythologisierende Danielbuch quasi als Kontrollgruppe benutzt: Dass das Danielbuch nichts über ein Verbot des Sabbats und der Beschneidung oder das Opfern von Schweinen in Jerusalem sagt, muss so „vielsagend“ (261) nicht sein. Die Eingriffe führten jedenfalls zur Revolte der Hasmonäer (deren Wurzeln, wie Bernhardt zeigt, im priesterlichen Jerusalem, nicht im ländlichen Modein liegen: Die Historizität von Mattathias bleibt fragwürdig) und zur erfolgreichen Wiedereinweihung des Tempels im August 164 v. Chr.

Die Schwächen der Arbeit liegen vor allem in der Klimax, im mit „Hellenismus und Judentum“ überschriebenen neunten Kapitel. Die Formierung der unterschiedlichen Strömungen des Judentums – Chassidim, Sadduzäer, Pharisäer, Essener/Qumran – in hasmonäischer Zeit deutet Bernhardt als Geburtsstunde des Judentums. Bernhardt bezeichnet die Strömungen als „Judäertümer“ – ein unsägliches Wort. Im Kontext der Auseinandersetzung dieser Strömungen „über religiös richtiges Judäertum“ sei „der Nukleus für jenes ethno-religiöse Identitätsmuster“ zu „erkennen, das man tatsächlich als Judentum bezeichnen kann“ (465). Flavius Josephus spricht in Bezug auf die unterschiedlichen Strömungen von haireseis (Denkweisen) und Philosophien. Darum, durchaus auch mit politischen Implikationen, handelt es sich in der Tat. Man braucht keinen Plural (Judaisms, Judäertümer) zu bemühen, um an der an sich richtigen, von Bernhardt mehrfach wiederholten Ansicht festzuhalten, dass das Judentum kein geschlossenes System war. Das wurde es im Übrigen auch nicht mit dem Erfolg der Hasmonäer. Dass es ohne die Kulteingriffe und die hasmonäische Erhebung „gar nicht erst zur Entstehung des Judentums“ („und somit auch nicht zu Christentum und Islam“) gekommen wäre (471), ist ein mutiges, wenig überzeugendes Szenario im Rahmen von „counterfactional history“. Den Titel des Buches hat Bernhardt vor dem Hintergrund seiner These brillant und simpel zugleich gesetzt: Die jüdische Revolution, wobei das Substantiv gleichsam kausative Funktion hat: die Revolution machte das Judentum möglich. Die Hauptthese dieses insgesamt in vielen Punkten erleuchtenden Buches überzeugt nicht. Die am Schluss des Epilogs nur kurz angesprochene Frage, ob in der hasmonäischen Erhebung auch die Grundlagen des Antisemitismus – mit allen Folgen – zu verorten sind, gilt es im Übrigen zu verneinen. Die Geschichte des antiken Antisemitismus beginnt nicht erst mit der jüdischen Revolte – wie auch Zvi Yavetz vor bald 30 Jahren in einer Replik auf Christian Habicht festgehalten hat („Judeophobia in Classical Antiquity: A Different Approach“, Journal of Jewish Studies 44 [1993]: 8–10).

Leider nimmt Bernhardt sein eigenes Motto, dass „die Kunst auch in der Wissenschaft im Weglassen“ liegt (VII), zu wenig ernst. Das Buch hätte viel kürzer ausfallen können, ohne dass Bernhardts Thesen an Deutlichkeit verloren hätten. Bernhardt wagt sich auch an Themenblöcke heran, die für seine Fragestellung nicht sehr relevant sind – so zum Aristeas-Brief, den er wenig überzeugend in Judäa statt in Ägypten verortet (442). Andererseits wird künftig jede Arbeit zur hasmonäischen Erhebung froh sein um Bernhardts detailreiche und in vielen Punkten erhellende Aufspürung des historischen Verlaufs jener gerade auch aufgrund der schwierigen Quellenlage faszinierenden Ereignisse. Auch wenn die Hauptthese diesen Rezensenten nicht überzeugt: Johannes Christian Bernhardt hat sich mit seiner Dissertation einen festen Platz in der langen Forschungsgeschichte zu Antiochus IV. und den Juden erarbeitet.