Moshe Zimmermann. Niemals Frieden? Israel am Scheideweg. Propyläen Verlag, 2024. 192 S., EUR 16.00, ISBN 978-3-549-10083-7

Omar Ibrahim 
Universität Bern
omar.ibrahim@faculty.unibe.ch

„Etwa alle zwei Jahre kam es [in Israel] zu Militäroperationen, die einige Wochen andauerten, worauf wieder eine relative Ruhephase folgte“ (10). Und: „Denn das, was sich seit dreissig Jahren ereignete, und erst recht das, was seit dem 7. Oktober 2023 geschah, trug dazu bei, dass die Fronten auf beiden Seiten sich weiter verhärteten und der gegenseitige Hass sich weiter hochschaukeln konnte“ (14). Mit diesen gewichtigen Sätzen beginnt Moshe Zimmermann sein Werk Niemals Frieden? Israel am Scheideweg, welches 2024 in der dritten Auflage erschienen ist.

Zimmermann geht es in seinem Werk darum, zu verstehen, wie die Situation am 7. Oktober 2023 zustande kam und was sich daraus für die Zukunft schliessen lässt. Hierbei greift er als Historiker kurz einige Stationen der Geschichte Israels auf und untersucht dazu unterschiedliche diskursive Ordnungen. Dabei will er festhalten: „Der Konflikt war also nicht vorprogrammiert“ (115). Auch wenn der Gewaltausbruch zwischen Israel und den Streitparteien absehbar war, so wären doch auch andere Möglichkeiten zu mehr Frieden und Verständigung je schon gegeben gewesen. Dies ist aber keineswegs eine einfache Angelegenheit. „Man muss den Weg in die Katastrophe beschreiben und die Vorgeschichte verstehen, um einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma skizzieren zu können“ (11).

Im Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 sieht Moshe Zimmermann ein Anzeichen des versagenden Zionismus: „Die Fotos und Videos, die die Hamas-Terroristen während des Überfalls aufgenommen und dann über die Medien und die sozialen Netzwerke verbreitet haben – eine Orgie der brutalsten Gewalt, das Abschlachten von Babys, die Vergewaltigung von Frauen, die Schikanierung von alten Menschen –, das alles hat Assoziationen auch mit dem Schicksal der Juden im Zweiten Weltkrieg, also während der Schoah, hervorgerufen“ (27). Insofern Israel gegründet wurde, um nie wieder von pogromartigen Angriffen gegen Juden und Jüdinnen ausgeliefert zu sein, hat sich mit dem Überfall am 7. Oktober gezeigt, dass dieses Versprechen des Staates Israels nicht mehr eingehalten werden kann. Ist damit die Idee des Zionismus gescheitert? Und wie ist es zu solch einer Entwicklung gekommen?

Es gab schon seit Jahrtausenden Juden und Jüdinnen im heutigen Staatsgebiet Israel und den umgebenden Nachbarländern. Mit dem aufkommenden Nationalbewusstsein in Europa im 19. Jahrhundert und den anhaltenden antisemitischen Problemen und Ausschreitungen wurde aufgrund dieser Entwicklungen die Idee des Zionismus gegründet. Man wollte durch einen Staat für die jüdische Bevölkerung jene Probleme entschärfen, die für die Juden und Jüdinnen in Europa leider zum Alltag gehörten. „Seine Raison d’être bestand von Beginn an darin, der Zufluchtsort für die in der Diaspora verfolgten und diskriminierten Juden zu sein“ (82). Auch wenn man wusste, dass im damaligen Gebiet des osmanischen Reiches und später unter britischem Mandat schon arabische und andere Volksgruppen mit unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten lebten, wollte man mit dem Zionismus primär eine Heimstätte für Juden und Jüdinnen gründen. Daraus entwickelte sich immer mehr die Überzeugung, dass auf diesem Gebiet nur ein Volk volle Rechte erhalten sollte. Dies sollte allein das jüdische Volk sein. Mit der direkten Staatsgründung Israel sollte in solches Ziel erreicht werden. Man wollte geflüchtete Juden und Jüdinnen aus aller Welt aufnehmen. Und diese Juden und Jüdinnen brauchten Platz und Ressourcen.

Hier setzen die weiteren Gedanken von Zimmermann an: „Einen immensen Einfluss auf die israelische Gesellschaft, auf die israelische Kulturlandschaft und somit auf die Beziehungen zwischen Israel und den Palästinensern hat die Siedlerbewegung ausgeübt“ (122). Wenn Israel ein Zufluchtsort für die jüdische Bevölkerung darstellen soll, so wurde entsprechend versucht, Juden und Jüdinnen aus der Diaspora in Israel zu vereinen und sie dort ansässig werden zu lassen. So formuliert es auch Noam Zadoff über die Siedlungsbewegungen: „So wurden die Ideale der Besiedlung des Landes mit dem Bedürfnis nach Sicherheit unter dem Motto zusammengebracht: Eine Hand hält den Pflug und die andere das Gewehr“.1

Diese Ideen sind nicht neu entstanden. Formen der Militarisierung waren schon in den Ideen des frühen Zionismus angelegt, um sich gegen weitere Überfälle, kriegerische Handlungen etc. zu verteidigen. Aus dem Schutzbedürfnis sind aber auch zusehends präventive Massnahmen erwachsen: „Sie konnten nun nahezu ungehindert Siedlungen errichten, Palästinenser drangsalieren, Strassen bauen, die nur Siedler benutzen durften, und damit eine schleichende Annexion betreiben“ (38).

Unabhängig davon, ob bei diesen Entwicklungen von Kolonialismus, Apartheid gesprochen wird, oder ob andere effekthascherische Begriffe verwendet werden, können diese Entwicklungen nach Zimmermann als Prozesse angesehen werden, die Konflikte befeuert und nicht zu einer Abschwächung der Feindseligkeiten geführt haben. Mit der Siedlerbewegung des zionistischen Projekts ging so auch verstärkt ein Paradigmenwechsel der jüdischen Bevölkerung einher. „Statt des passiven, schwachen, gebeugten und entwurzelten Diasporajuden sollte im Land Israel eine neue Generation von Frauen und Männern, aktiv, stark, stolz und im Land verwurzelt, ans Werk gehen“.2 In dieselbe Richtung weist auch Zimmermann: „Egal aber, ob Vorurteil oder Realität – in der zionistischen Vision wurde auf den Muskeljuden, der sich selbstverständlich jedem Versuch eines Pogroms kraftvoll widersetzt, viel Wert gelegt“ (43).

Das zionistische Projekt welches zu einem Grossteil von Intellektuellen, säkularen und sozialgesellschaftlich ausgerichteten Juden entwickelt wurde, wandelte sich also über die Zeit hinweg zu einem virilen Militarismus, welcher die aggressive Selbstbehauptung als Ausdruck der eigenen Identität anpries. Obwohl die Kibbuzim und einige religiöse Strömungen sich solchen Entwicklungen entgegenstellten und dies auch heute noch tun, sind diese problematischen Entwicklungen für Zimmermann jedoch augenfällig. Und diese Entwicklungen sind es auch, die für ihn ein unmittelbares Problem darstellen, was auch zu den nicht endenden kriegerischen Auseinandersetzungen in der Geschichte Israels geführt hat. Zimmermann folgert also: „Wichtig ist die Tatsache, dass die Grenzen, die im Jahr 1949 nach diesem ersten Krieg vereinbart wurden, keine offiziellen Grenzen des Staates waren, die von den Nachbarn als solche anerkannt wurden, sondern lediglich Waffenstillstandslinien, also vorläufige Grenzen“ (80). Eine Grenze Israel–Palästina war nicht so klar, wie es auf den Papieren, Dokumenten und Verträgen schien. Und weiter: „Da die Geburt des Staates Israel mit einem Krieg begann, den die arabischen Staaten Israel erklärten, und auch die nächsten Kriege entweder auf eine Provokation oder auf einen Angriff von arabischer Seite folgten, konnte der Glaube an die Unumgänglichkeit der von Israel geführten Kriege nicht ausbleiben“ (46).

Wenn der aggressive Konflikt und die kriegerische Selbstbehauptung zu einem identitätsstiftenden Merkmal werden, so verlieren gegenläufige Strömungen zum friedlichen Miteinanderumgehen immer mehr an Gewicht und die verschiedenen Streitparteien verkrampfen sich auf die eigenen Positionen, bis sie sich in extremer Form entladen. Diese Zuspitzung gilt also nicht nur für die israelischen Juden und Jüdinnen, sondern auch für die Gegenparteien: „Die Zweistaatenlösung kommt nicht nur für palästinensische Extremisten, sondern auch für die israelische Rechte nicht in Betracht“ (36). Und auch andere Streitparteien sind fest in ihren Positionen erstarrt.

Da sich der jüdische Teil der israelischen Bevölkerung auf militärische, virile und aggressive Selbstbehauptung beruft, konnte auch kein friedlicher Umgang mit den arabischen Nachbarn auf dem Staatsgebiet und den umliegenden Ländern angestrebt werden. Solche Konflikte führen wiederum zur Polarisierung auch auf arabischer, palästinensischer, islamischer Seite. Auch dort werden virile, kriegerische Diskurse geführt und angeheizt. Es entsteht eine schier unausweichliche Gewaltspirale und die Frage nach der Henne und dem Ei – wer angefangen hat – wird dabei müssig. Auch auf der israelfeindlichen Seite wird immer öfter mit Gewalt und Aggression reagiert, was gemeinsame Lösungen noch weiter verunmöglicht. „Die Fortsetzung von Terroranschlägen konnte von den israelischen Entscheidungsträgern als Ausrede benutzt werden, um so Verhandlungen mit den Palästinensern auszuweichen“ (162).

Eine solche Darstellung Zimmermanns erklärt die Entwicklungen zwischen Israel und seinen Streitparteien und er zeigt damit auch, wie es überhaupt zu einer solchen Situation wie am 7. Oktober 2023 kommen konnte. Schuld sind nicht einzelne Personen oder einfach nur religiöse, politische, kulturelle oder sonstige Gründe. Es gibt nicht einfach die Schuldigen oder die Bösen. Die Welt ist nicht so einfach gestrickt, dass sie in solch einfache Muster eingeteilt werden könnte, so zeigt es zumindest Zimmermann. Vielmehr ist ein komplexes Geflecht unterschiedlicher Einflüsse und Wechselwirkungen dafür verantwortlich, weshalb eine solche Kampfbereitschaft auf allen Seiten überhaupt möglich wurde und weiterhin angetrieben wird.

Zimmermanns Beitrag zur Debatte ist dahingehend überzeugend, dass er weder einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, noch dass er versucht, unnötige Reduzierungen der Komplexität dieses Sachverhaltes vorzunehmen. „Geschichte ereignet sich im Kontext und ist darüber hinaus nicht monokausal zu verstehen“ (13). Trotzdem versucht er durch die verschiedenen Perspektiven und Diskursanalysen in seinem Buch einen eigenständigen Beitrag vorzubringen, der mit anderen Beiträgen in Dialog treten kann.

Auffällig ist, dass Zimmermann immer wieder erklärt, dass die Thematik nicht in einfache Kategorien zu unterteilen ist. Dass Schuld und Kritik nicht einseitig verteilt werden können. Er weist in seinem Werk mehrmals darauf hin, dass einzelne, einstimmige Blöcke nicht existieren. „Jeder, der sich mit der Geschichte des Zionismus befasst, muss wissen, dass von Beginn an die Zionisten keine homogene Gemeinschaft waren und jede Strömung innerhalb der Gesamtorganisation die Grundrisse des Programms nach eigener Vorstellung formulierte, ergänzte und auszuführen versuchte“ (29f). Dies gilt selbstverständlich auch für zeitgenössische Friedensbewegungen in Israel, wie zum Beispiel die militärische Dienstverweigerung junger Israelis. Und ebenfalls kann die gesamte Lage nicht nur durch die israelische oder palästinensische Brille begutachtet werden: „Die Akteure, die direkt am Nahost-Konflikt beteiligt sind, bewegen sich bekanntlich nicht in einem hermetisch abgeschlossenen und abgeschotteten Raum“ (158). Die hier nachgezeichneten Inhalte sind also eine Verkürzung von Zimmermanns Verkürzungen und orientieren sich an der Komplexität des Sachverhaltes, während sie zugleich versuchen, nennenswerte Punkte hervorzuheben.

Der Gewaltausbruch am 7. Oktober 2023 ist also nicht durch einfache Erklärungen zu beschreiben, sondern erstreckt sich über grosse Zeiträume, unterschiedliche Akteure und diverse Diskursfelder und politische Arenen über den ganzen Globus hinweg. Mit der Beschreibung Zimmermanns über die Siedlerbewegung und die damit einhergehende Militarisierung und der Paradigmenwechsel in Richtung Krieg und virile Aggression scheint jedoch zumindest ein wichtiger und nicht zu vernachlässigender Punkt innerhalb dieser Entwicklungen bis zum 7. Oktober 2023 nachgezeichnet zu sein. Auch Figuren wie Rashid Khalidi stimmen einer solcher Perspektive zu: „Palästina war für diejenigen, die kamen, um es zu besiedeln, terra nullis, und die dort lebenden Menschen waren namen- und gesichtslos“.3 So lässt sich diese Analyse des Diskurses direkt an Zimmermann anschliessen: „Da die Palästinenser die Situation nicht kampflos hinnahmen, wurde die Sorge um die Sicherheit der Siedler schon sehr früh zur Hauptaufgabe des israelischen Militärs“ (131). Entsprechend ist es auch zu den besagten Entwicklungen gekommen, die Zimmermann in seinem Werk aufgreift. Er fasst dies folgendermassen zusammen: „An der Stelle des vormaligen säkularen, sozialliberalen Pferds zieht nun der nationalistisch religiöse Wolf die Karre“ (94). Dabei kritisiert er die zeitgenössische israelische Regierung, welche sich grösstenteils nicht an friedlichen Lösungen orientiert. Wenn sich Israel am Scheideweg befindet – so Zimmermanns Untertitel – muss ein Weg gesucht und gefunden werden, in dem weitere gewaltvolle Auseinandersetzungen verhindert und ein gemeinsames Miteinanderumgehen ermöglicht werden können. Nur so kann Israel die Sicherheit der eigenen Bevölkerung gewährleisten und nur so kann Israel auch Unterstützung aus dem Ausland legitimieren. „Mit einer rechtsextremen, ultraorthodoxen, homophoben Regierung sich zu identifizieren oder sie gegen Kritik in Schutz zu nehmen ist für viele Diaspora-Juden inakzeptabel oder zumindest eine Zumutung“ (86). Er schliesst: „Die Sicherheit Israels ist nicht mit mehr Militärhilfe, mehr U-Boote zu gewährleisten, sondern eher über eine Annäherung an die Länder der Region, vor allem an die Palästinenser“ (53).

Trotzdem verfällt Zimmermann nicht in eine naive Friedenseuphorie. Die Situation ist zu vertrackt, die Diskurse sind zu verhärtet, um ohne Weiteres grosse Veränderungen durchzuführen. Er verweist darauf, dass weiterhin unter allen Streitparteien viele ihr Interesse an kämpferischen Auseinandersetzungen bekunden. „Der Glaube an Frieden mit den Palästinensern sei eine naive Illusion“ (45).

Wie ist also mit der dargestellten Situation umzugehen? Braucht es einen Staat? Braucht es zwei Staaten? Im intellektuellen Diskurs werden unterschiedliche Positionen vertreten. Hierzu ein Beispiel: „Weder das Existenzrecht des Staates Israel noch das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat sollen infrage gestellt werden“.4 Auch Zimmermann stimmt einer solche Überlegung zu. „Jedes der beiden Völker hat das Recht auf einen Nationalstaat“ (182). Er relativiert jedoch diese Position dahingehend, dass die beiden Nationalstaaten sich zu einer Föderation verbinden sollen und sich daher in ihrer Selbstbestimmung nur im Miteinander vergewissern können. Hier argumentiert Zimmermann auch ganz im Sinne Omri Boehms,5 den er auch explizit erwähnt.

Ob, wie und wann eine solche Lösung jedoch möglich sein wird, bleibt für Zimmermann jedoch fraglich. Viele Juden, Jüdinnen und auch Israelis sind für den Frieden. Andere wiederum nicht. Er stellt daher auch keine Prognosen auf, sondern blickt pessimistisch auf die momentanen Entwicklungen. „Der Kulturkampf zwischen Ost und West spaltet so die jüdische Gesellschaft, unabhängig vom Kulturkampf zwischen Israelis und Palästinensern“ (120). Ob es tatsächlich einen Kulturkampf in diesem Sinne gibt, scheint hingegen fraglich zu sein.

Dass sich Zimmermann in seiner weitgreifenden Analyse auf Samuel Huntingtons Kulturkampfthese bezieht, ist dahingehend enttäuschend, dass diese eine unnötige und zugleich auch problematische Verkürzung und Komplexitätsreduktion vornimmt. Kulturen sind keine homogenen, abgeschlossenen Entitäten. Und ganz besonders befinden sich Kulturen nicht in einem unerbittlichen Kampf miteinander.

Eine solche Behauptung führt nicht nur zu Polarisierungen, sondern auch zu einer Erschwerung gemeinsamer friedensfördernder Diskurse. Wenn Zimmermann sich auf die friedenserschwerenden Prozesse und Strukturen in seiner Analyse konzentrieren will, wäre es wichtiger, sinnvoller und auch ergebnisreicher, unterschiedliche weitere Akteure und Akteurinnen sowie Diskursordnungen zu betrachten und dabei Analysen vorzunehmen, woher sie ihre Legitimation herholen.

Ein solcher Punkt, der bei Zimmermann wenig Aufmerksamkeit erhält, ist die religiöse Legitimierungsmöglichkeit. Auch die Religion bildet keinen homogenen Block. Und auch die Religion ist nicht mit einer geschlossenen, streitlustigen Kultur zu verwechseln. Entsprechend sind auch solche Aussagen von Zimmermann zu simpel: „Monotheistische Religionen, das ist hinlänglich bekannt, sind strikt gegen jede Art von Kompromiss“ (100). Monotheistische Religionen sind selbst wiederum sehr komplexe Gebilde mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen und Diskursordnungen, die sich über die Zeit und den Globus hinweg unterschiedlich ausprägen. Natürlich haben das Judentum und der Islam (insofern man überhaupt von dem Judentum und dem Islam sprechen kann) Gebote und Gesetze, aber daraus folgt nicht, dass diese mit bornierter Stringenz zu befolgen sind, oder dass dies tatsächlich so geschieht.

Selbstverständlich gibt es jüdische und islamische Strömungen, die solche Auslegungen radikal befürworten, sie bilden jedoch nur einen Teil einer gesamten Glaubensgemeinschaft, wenngleich sie auf allen Seiten wichtige Entscheidungsträger und -trägerinnen sind. Anstatt von einem Kampf der Kulturen oder Kampf der Religionen zu sprechen, wäre es daher erkenntnisreicher, wenn man untersucht, wie sich radikal religiöse Diskursordnungen in politischen Entscheidungen durchsetzen, wenn es um Krieg und Frieden geht.

Israel steht am Scheideweg. Hier liegt Zimmermann mit seinem Untertitel richtig. Es liegt aber nicht an einem Kampf der Kulturen, sondern an unterschiedlichen Figuren, Ideologien und Diskursordnungen, die sich immer wieder in politische Bereiche einfinden und dort als Legitimationsquellen herbeigezogen werden. Solche Paradigmen beziehen sich auch auf emotionale und gruppenpsychologische Effekte und führen so zu verhärteten Fronten. „Israel schafft es nicht, ein normaler Staat mit international anerkannten, normalen Grenzen zu werden, da alle Anläufe auf eine Zweistaatenlösung hin bislang scheiterten“ (81). Sich vermehrt auf solche Effekte, Paradigmen und Prozesse zu konzentrieren, diese zu explizieren und gegebenenfalls zu kritisieren, wie es Zimmermann einsichtig in seinem Werk unternimmt, kann als ein erster Schritt dahin gedeutet werden, solche Fehlentwicklungen in Zukunft nicht mehr zu begehen und ein gemeinsames, friedliches Miteinander zu fördern.

Anmerkungen

  1. Zadoff, Geschichte Israels, 17.

  2. Zadoff, Geschichte Israels, 41.

  3. Khalidi, Der Hundertjährige Krieg um Palästina, 20; H.i.O.

  4. Cheema & Mendel, Muslimisch-jüdisches Abendbrot, 169.

  5. Vgl. Boehm, Israel.

Literatur

Boehm, Omri. Israel: Eine Utopie. Ullstein, 2023.

Cheema, Saba-Nur und Meron Mendel. Muslimisch-jüdisches Abendbrot: Das Miteinander in Zeiten der Polarisierung. Kiepenheuer & Witsch, 2024.

Khalidi, Rashid. Der Hundertjährige Krieg um Palästina: Eine Geschichte von Siedlerkolonialismus und Widerstand. Unionsverlag, 2024.

Zadoff, Noam. Geschichte Israels: Von der Staatsgründung bis zur Gegenwart. C.H. Beck, 2023.