„Ihr kleiner Finger ist dicker als meine Hüfte.“ Die Funktion von Topoi in der Responsa-Sammlung Ele Divre ha-Brit
Steinheim-Institut, Essen
In 1819 the book Ele Divre ha-Brit – a collection of 22 responsa – was edited by the Bet Din (rabbinical court) in Hamburg. The Bet Din intended to condemn the reforms established in Hamburg by the reformers prior to this time. In this paper I would like to highlight the rhetoric used in the responsa which are collected in Ele Divre ha-Brit. I intend to present different forms of topoi in order to analyse the functions generated by the use of topoi. In order to broaden the perspective and see whether the topoi used in Ele Divre ha-Brit are a singular phenomenon or more commonly used I would like to subsequently compare Ele Divre ha-Brit in this regard with the responsa collection Melamed Lehoʿil, in which the responsa written by David Zvi Hoffmann are collected. Hence, the focus in this paper lies on an analysis of responsa as literature. This field of studies represents one of two trends in the Law-and-Literature-Movement: law in literature and law as literature. Important analyses to examine responsa as literature were carried out by Mark Washofsky and in my paper I will follow his analytic approach. Due to the fact that a respondent constructs his responsum by arranging his arguments, by using topoi or metaphors and by implementing stylistic devices it is worthwhile to focus on rhetoric in responsa.
Responsa als literarische Texte zu untersuchen, ist das Anliegen des in Münster angesiedelten Forschungsprojekts „Rhetorische Strategien in jüdischen und islamischen Rechtstexten“1, das die insbesondere von Mark Washofsky vorgelegte Methodik der literarischen Interpretation von Responsa weiterentwickelt.2 Daraus resultierend setzt sich die Arbeit im Projekt mit dem Problem auseinander, wie der Verfasser eines Responsums durch die Gestaltung des Textes und die Anordnung von Argumenten den Leser von der eigenen Entscheidung zu überzeugen sucht. Analysiert man Responsa auf diese Weise, wird der Respondent als ein Autor verstanden, der durch stilistische Mittel, Tropen und Topoi versucht, die eigene Position als richtig zu inszenieren. Gefragt wird, welcher sprachlicher Mittel sich ein Respondent bedient, um dieses Ziel zu erreichen.3
Der Fokus der vorliegenden Untersuchung liegt daher darauf, exemplarisch die Rhetorik in der Responsa-Sammlung Ele Divre ha-Brit zu untersuchen und hier den Schwerpunkt auf die Untersuchung von Topoi zu legen. 4
Damit schließt dieser Aufsatz thematisch an den Beitrag „Der Satan tanzt“: Rhetorische Strategien in der Responsa-Sammlung Ele Divre ha-Brit an, in dem die Responsa-Sammlung unter literaturwissenschaftlichen Gesichtspunkten untersucht wurde, jedoch unter einem anderen Fokus: Im vorherigen Aufsatz wurde der Einsatz von Tropen sowie appellativen und semantischen Argumentationsfiguren untersucht und ob sich in der Wortwahl die aufgeheizte Stimmung, in der die Responsa-Sammlung entstanden ist, widerspiegelt. Zudem wurde der Frage nachgegangen, wie Argumentationsfiguren und Tropen zur Autoritätsinszenierung beitragen. Ist in dem vorherigen Aufsatz erkennbar, dass in Ele Divre ha-Brit eine Kombination aus Emotionalisierung des Lesers und Versachlichung durch gewisse semantische Argumentationsfiguren erreicht wird, wird es in dem hier vorliegenden Beitrag spannend zu sehen sein, wie durch den Einsatz von Topoi der Leser auf einer weiteren sachlichen Ebene überzeugt werden soll. Mit dieser Analyse sucht der Artikel somit ebenfalls Anschluss an Regina Grundmanns Idee, den Einsatz von Topoi und deren Funktion als Untersuchungsgegenstand in einer literaturwissenschaftlichen Analyse von Responsa zu untersuchen. Um eine bessere Aussagekraft zu erzielen, ob der Einsatz von Topoi ein singuläres Phänomen in Ele Divre ha-Brit ist, die in dieser besonderen Zeit des Hamburger Tempelstreits entstanden ist, oder ob Topoi generell zur Argumentationsführung genutzt werden, wird anschließend beispielhaft ein Vergleich mit der von David Zvi Hoffmann verfassten Responsa-Sammlung Melamed Lehoʿil vorgenommen. Diese Sammlung bietet sich als Vergleichsmoment aus mehreren Gründen an, der gewichtigste ist folgender: Die darin von David Zvi Hoffmann verfassten Responsa sind in einer deutlich späteren Zeit entstanden, in der Neuerungen, die in Ele Divre ha-Brit noch diskutiert wurden, in manchen Teilen schon Realität waren. Zudem ist Ele Divre ha-Brit in Reaktion auf die Anfrage des Hamburger Bet Din (des rabbinischen Gerichtshofs) insbesondere aufgrund des von Reformern neu gegründeten israelitischen Tempelvereins sowie der neu errichteten Synagoge im Oktober 1818 entstanden.5 In der gewählten Vergleichssammlung werden hingegen die unterschiedlichsten Themen des jüdischen Rechts in Zeiten der Emanzipation und religiöser Ausdifferenzierung von David Zvi Hoffmann behandelt, sodass man untersuchen kann, ob generell Topoi für die Argumentationsführung zur Autoritätsinszenierung genutzt werden. Damit der Fokus in diesem Beitrag nicht nur auf Responsa des 19. Jahrhunderts beschränkt bleibt, wird zur stärkeren Illustrierung in der Schlussbemerkung kurz auf den Einsatz von Topoi in mittelalterlichen rabbinischen Responsa eingegangen.
Bevor die Untersuchung der in Ele Divre ha-Brit zu findenden Topoi vorgenommen und anschließend in einen größeren Kontext gesetzt wird, soll jedoch zunächst auf den theoretischen Rahmen zum Topos-Begriff eingegangen und auf die unterschiedlichen Vorstellungen hingewiesen werden, die diesem innewohnen.
Wenn in der Literatur auf die Begrifflichkeit Topos/Topoi eingegangen wird, wird vielfach auf die bereits von Aristoteles und auch anderen antiken Rhetorikern wie Quintilian verwendete Begrifflichkeit Bezug genommen und auf die Bedeutung innerhalb der Rhetorik und insbesondere auf die Funktion innerhalb der Argumentation hingewiesen.6 Dabei wird ebenfalls darauf verwiesen, dass der von Aristoteles verwendete Toposbegriff nicht einfach zu deuten ist und bei ihm in unterschiedlichen Kontexten verwendet wird.7 Insbesondere Martin Wengeler und Jürgen Sprute legen den Zusammenhang von Topos und Enthymemen dar und verstehen den Begriff Topos in vielen Fällen innerhalb eines Argumentationsgang als eine Art Schlussmuster.8 Dies zeigt sich insbesondere in Sprutes Ausführungen zu den allgemeinen Topoi:
Während das hervorstechendste Merkmal der besonderen Topoi ihr Thesencharakter ist, erwecken die von Aristoteles Rhet. B 23 zusammengestellten allgemeinen Topoi auf den ersten Blick den Eindruck von Verfahrensregeln, die es ermöglichen, sofort bestimmte Schlüsse zu ziehen, die man ohne diese Regeln – wenn überhaupt – meist nur auf wesentlich umständlicherem Wege zustande brachte. Die jeweilige Regel bestimmt dabei den formalen Charakter der Argumentation und garantiert zugleich deren Überzeugungskraft, so wenig auch immer das Enthymem einem ausformulierten Syllogismus ähnlich sehen mag. Die Überzeugungskraft der Argumentation gründet sich allein auf den Umstand, daß die Regel eine Art allgemein anerkanntes Argumentationsmuster zur Anwendung empfiehlt […] Der Redner braucht nun nur zu prüfen, ob das Argumentationsmuster im Fall der zu begründenden These brauchbar ist, und kann gegebenenfalls sofort Schlüsse folgender Art ziehen: „Wenn Antibiotika nicht helfen, dann Sulfonamide erst recht nicht“, oder ein aristotelisches Beispiel: „Wenn nicht einmal die Götter alles wissen, dann wohl schwerlich die Menschen“ [Sprute gibt in der Fußnote die Stellenangabe an: Rhet 1397b 12f. an]. Es ist klar, daß man außer der zu begründenden These eine zweite zu dieser passende These haben muß, wie im letzten Beispiel: „Die Götter wissen nicht alles“. Durch den allgemeinen Topos läßt sich dann zwischen den beiden vorgegebenen Thesen eine formale Beziehung herstellen und dadurch, daß diese Beziehung einem allgemein anerkannten Argumentationsschema entspricht, die erste These mit der zweiten begründen.9
Auch die bereits bei Aristoteles erwähnten besonderen Topoi ordnen Wengeler und Sprute in den Bereich der Argumentationstechnik ein und sehen sie im Zusammenhang mit Enthymemen.10
Die Unterscheidung zwischen allgemeinen und besonderen Topoi in der Rhetorik liegt laut Wengeler darin, dass die allgemeinen nicht inhaltlich bestimmt sind und nicht auf eine bestimmte „Redegattung“ begrenzt sind, sondern überall Anwendung finden können. Als Beispiele für allgemeine Topoi führt Wengeler den Topos des Mehr und Minder, den Topos des Berufens auf eine Autorität oder auf Aussagen oder den Topos aus der Person an.11 Die besonderen Topoi hingegen sind „inhaltlich bestimmte ‚Schlussregeln‘, die entsprechend nur in einem inhaltlichen Bereich verwendbar sind, um plausible Argumentationen zu realisieren.“12
Daneben findet ein Toposbegriff Verwendung, der nicht auf ein „rhetorisch-argumentative[s]“, sondern ein „literarisch-poetische[s]“13 Verständnis abzielt. Bei diesem Verständnis wird ein Topos als sprachlicher Gemeinplatz oder als Motiv beziehungsweise Thema klassifiziert. Nach Till und Wengeler versteht Curtius unter dem Begriff Topos ein „literarisches Motiv“ oder Klischee.14 Clemens Ottmers verweist darauf, dass schon in der römischen Rhetorik von Cicero der lateinische Begriff „loci“15 nicht nur als Schlussverfahren und Fundstätte für Argumente angesehen wurde, sondern ebenfalls auf solche sprachlichen Gemeinplätze ausgeweitet wurde.16
Der Begriff des Topos wird demnach mit verschiedenen Konzepten belegt. Selbst wenn Topoi, die eher als Motive oder als literarische Gemeinplätze aufgefasst werden, eine gewisse Bedeutung für eine Argumentation haben können, sind sie doch nicht mit einem Schlussmuster, wie einem Mehr und Weniger oder dem von Wengeler klassifizierten Topos vom wirtschaftlichen Nutzen, der inhaltlich bestimmt ist, vergleichbar, der direkt für einen Argumentationsschluss genutzt wird.17 Bei einem Dedikationstopos liegt beispielsweise kein Schlussmuster vor.18 Trotz des unterschiedlichen Verständnisses des Begriffs Topos soll hier nicht der Toposbegriff auf die Vorstellung von Topoi als Schlussmuster beschränkt bleiben, da auch den Topoi, die sich nicht unter dieser Kategorie klassifizieren lassen, in Ele Divre ha-Brit eine wesentliche Funktion zukommt, um Autorität und Rechtmäßigkeit zu generieren, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll.
Aus den obigen Ausführungen wird bereits ersichtlich, dass einem großen Teil der Topoi, die sich als Schlussmuster kategorisieren lassen, die Funktion zukommt, den Leser von gewissen Annahmen zu überzeugen bzw. ihre Plausibilität zu vermitteln. Der Topos des Mehr und Minder (der in der jüdischen Rechtstradition auch unter dem Schluss vom Leichteren auf das Schwerere bekannt ist), der Autoritätstopos und der Topos aus der Person.19
Manche Respondenten nutzen in ihren Responsa in Ele Divre ha-Brit den Topos aus der Person. Die Respondenten beabsichtigen, die mangelnde rechtliche Bildung oder Tugendhaftigkeit von Personen darzustellen, indem sie diese als nicht vertrauenswürdig und ihre Ausführungen als nicht beachtenswert darstellen. Wenn somit manche Respondenten diesen Topos anführen, um die Respondenten des Werkes Noga ha-Zedek als nicht vertrauenswürdig darzustellen, wollen sie damit den argumentativen Schluss ziehen, dass man sich nicht auf die Festlegungen dieser Personen stützen dürfe, und sich diejenigen, die sich auf dieses Werk berufen, auf keinen rechtlichen legitimen Anspruch stützen; daher ist es auch nicht lohnenswert, den Verfassern zu widersprechen.20 Letztendlich beabsichtigen die Respondenten, die diesen Topos nutzen, den Leser von der eigenen Position zu überzeugen und den eigenen Standpunkt als richtig darzustellen: Sich nicht auf das andere Werk zu stützen, um diesem eine rechtliche Berechtigung abzusprechen.
So belegt Mordechai Benet seine Behauptung, sich nicht auf die Lehre des Aaron Chorin zu verlassen und diese nicht anzunehmen, damit, dass Aaron Chorin sich nicht mit der Gemara und den Poskim auseinandersetze. Damit impliziert Mordechai Benet, dass Aaron Chorin die fachlichen Voraussetzungen fehlten. Mithilfe des Topos aus der Person sucht Benet, die Lehre des Aaron Chorin als unglaubhaft darzustellen.21
Auch Eleasar Löw nutzt den Topos aus der Person, um damit den Leser davon zu überzeugen, sich nicht auf die Aussagen von Aaron Chorin zu verlassen. Er stellt Aaron Chorin als eine Person dar, die keine Bildung in Fragen der Halacha hat, da er ihm vorwirft, sich nicht mit dem Talmud und den Poskim auszukennen.22 Dieser Topos dient in deutlichem Maße dazu, mithilfe der Darstellung der Bildungssituation der Person ein mögliches anderes Werk als nicht beachtenswert darzustellen.
Jakob Lorbeerbaum23 nutzt den Topos aus der Person, um damit zu schlussfolgern, dass es sich überhaupt nicht lohne, dem Verfasser von Or Noga in seinen Ausführungen zu widersprechen. Er stellt den Verfasser nicht nur als völlig unwissend dar, sondern auch als eine unsittliche und unzuverlässige Person. So lautet die Botschaft, dass eine solch unmoralische und ungebildete Person unmöglich als Rechtsquelle herangezogen werden könne.24 Unter diesen Topos lassen sich wahrscheinlich auch die verschiedenen Darstellungen klassifizieren, die die Fehlerhaftigkeit von Aussagen und Lehren der reformerischen Seite darlegen. So könnte man fast das gesamte zweite Responsum von Moses Sofer, das die Fehlerhaftigkeit der Autoren von Noga ha-Zedek und Or Noga unterstreicht, als Topos aus der Person klassifizieren. Moses Sofer stellt die Glaubwürdigkeit und Richtigkeit in Abrede, indem er die von ihm ausgemachten Fehler in den Ausführungen der Verfasser aufzeigt, um letztendlich damit implizit zu verstehen zu geben, dass man sich auf dieses Werk nicht verlassen und stützen kann.25
Einige Respondenten nutzen in ihren Responsa den Topos des Mehr oder Minder. Meist wird dieser Topos verwendet, um damit darauf abzuzielen, den Leser in einer nüchternen Argumentationsweise vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. Dies soll im Folgenden an ein paar Beispielen aufgezeigt werden:
Herz Scheuer nutzt in seinem Responsum eine Reihe von Schlüssen vom Leichteren auf das Schwerere, um den Leser durch Argumentationsführung von seinen Darlegungen zu überzeugen. So verwendet er beispielsweise diesen Topos, um ein Abändern der von der Mehrheit seit langen Zeiten akzeptierten Bräuche als unerlaubt darzustellen. Scheuer argumentiert wie folgt: Wenn es verboten sei, Bräuche zu ändern, die bei manchen als erlaubt gelten und bei anderen als verboten, um wie viel mehr müsste es dann verboten sein, etwas zu ändern oder etwas davon aufzuheben, wenn es für die Mehrheit festgesetzt sei.26 Des Weiteren führt Herz Scheuer folgenden Schluss vom Leichteren auf das Schwerere von einer Ausführung des Magen Avraham im Namen des Jerushalmi an: Wenn schon im Jerushalmi darauf verwiesen wird, dass ein Ort nicht den Brauch seiner Väter ändern sollte, auch wenn ihnen eine Ordnung der Gebete zugeschickt worden sei, sollte man umso mehr nicht etwas ändern, das seit über 2000 Jahren überliefert wird. Insbesondere die Vielzahl dieser hintereinander erfolgenden Schlüsse soll den Leser von der sachlichen Argumentationsweise des Respondenten überzeugen und seine Ausführungen für den Leser nachvollziehbar machen.27
Eleasar Löw versucht ebenfalls mithilfe des Topos des Mehr oder Minder mit einer nüchternen Argumentationsweise zu überzeugen, den er mit dem Topos der Eindeutigkeit28 verbindet. Er nutzt direkt hintereinander zwei Schlüsse vom Leichteren auf das Schwerere, um Aaron Chorin mit seinen Lehren sowie die Reformen abzuwerten. Löw führt aus, es sei bekannt, dass keiner seine Pflicht erfülle, der einen Segen ändere. Daraus bildet er den Schluss, wenn schon dies gelte, um wie viel mehr erfülle man dann nicht die Pflicht, wenn man bei allen Segenssprüchen etwas abändere. Der zweite Schluss lautet: Wenn dies vorher schon gelte, um wie viel mehr gelte es, wenn man alle Stellen überspringe, an denen man um die Erlösung bete. Daraus sehe man eindeutig, dass jene, die alle Stellen übersprängen, die Wurzeln des Glaubens leugneten. Somit zeigt Eleasar Löw mithilfe dieser Schlüsse auf, dass ein Abändern der Segenssprüche sowie ein Auslassen der Gebete um Erlösung nicht gewünscht seien.29
Auch die Gelehrten der Gemeinde von Padua nutzen einen Schluss vom Leichteren auf das Schwerere, um ihren Standpunkt überzeugend darzustellen, dass Abänderungen der Bräuche durch die Reformer überhaupt nicht zulässig sind. Sie argumentieren wie folgt: Wenn schon aufgrund einiger Festlegungen im Talmud und bei Poskim ein Abändern dort verboten bzw. erschwert werde, wo überhaupt kein Verbot bestehe, sollte es umso mehr verboten sein, wenn ein eindeutiges Verbot vorhanden sei.30 Auch hiermit wird somit der Topos genutzt, um mithilfe einer nüchternen Argumentation den eigenen Standpunkt als richtig darzustellen.
Eine wichtige Funktion innerhalb der Argumentation kommt in den Responsa in Ele Divre ha-Brit auch dem Autoritätstopos zu. Dieser Topos funktioniert gemäß dem folgenden Schema: Da eine Autorität eine Aussage tätigt, ist die Sache wahrscheinlich und man solle sich entsprechend dieser Aussage verhalten.31 Damit können einige Respondenten ihre Ausführungen stützen, indem sie sich auf eine anerkannte halachische Größe beziehen, deren Festlegung den eigenen Aussagen entspricht: Sie zeigen zudem mit der Verwendung des Autoritätstopos auf, nicht unbegründet und mit einem Rückgriff auf Rechtsinstanzen zu ihren Ausführungen zu kommen. So nutzt Moses Sofer den Autoritätstopos, um damit seine Ausführungen als für den Leser richtig darzustellen, dass keine rechtliche Handhabe für die Reformer bestehe, die Neuerungen einzuführen, da sie die Worte eines Bet Dins nicht einfach aufheben könnten: Moses Sofer zitiert die Festlegungen des Maimonides und des Abraham ben David von Posquières. In der zitierten Passage hält Maimonides fest, dass kein anderer Bet Din, der nicht größer und gleichzeitig weiser sei, eine Takana, einen Brauch oder eine bereits verbreitete Gezira von einem früheren Bet Din aufheben könne, auch wenn der Grund für diese Festlegung nicht mehr bestehe.32 Damit und mit der ergänzenden Bezugnahme auf Abraham ben David von Posquières kann Moses Sofer seine Position glaubhaft machen,33 die Reformer könnten die Neuerungen nicht einführen.34
Die Gelehrten der Gemeinde von Padua generieren ebenfalls einen Autoritätstopos. Sie verweisen sowohl auf die Festlegungen im Talmud als auch auf weitere Gelehrte, um damit ihren Argumentationsgang zu bekräftigen, dass man keine Stellen aus den Gebeten auslassen dürfe. Die Gelehrten der Gemeinde von Padua zitieren aus bBer 12a, wo festgehalten wird, dass man seine Pflicht nicht erfüllt habe, wenn man nicht „wahr und fest“ rezitiert habe. Sie zeigen weitere Gelehrte auf, die dies ebenfalls festlegen oder darauf verweisen, dass man beim Nicht-Rezitieren umkehren müsse, um sie zu sprechen. Somit dient der Autoritätstopos dazu, die eigene Position als die richtige darzustellen und den Leser von dieser Haltung zu überzeugen.35
Auch die Rabbiner der Gemeinde Livornos nutzen beispielsweise einen Autoritätstopos zur Stärkung der eigenen Aussage und um den Leser von deren Richtigkeit zu überzeugen. Sie zitieren eine Passage aus dem Buch Matsref la-Ḥokhmah von Joseph Solomon Delmedigo, in der deutlich hervorgehoben wird, dass derjenige, der eine Änderung an den seit den Tagen der großen Versammlung mündlich überlieferten Gebetstexten vornehme, sowohl in dieser als auch in der kommenden Welt Schaden nehmen werde. Diese Aussage nutzen die Rabbiner der Gemeinde Livornos, um ihre eigene Ausführung, keine Änderung vornehmen zu dürfen, als überzeugend und rechtlich gestützt darzustellen.36
Im Responsum von Samuel Berenstein ist ebenfalls der Autoritätstopos auszumachen. So nutzt er diesen Topos, um seinen Ausführungen Gewicht zu verleihen, dass das Musizieren und damit auch das Orgelspiel verboten sei, nachdem der Tempel zerstört worden sei. Dafür greift Berenstein unter anderem auf die Ausführungen von Maimonides in seiner Mischne Torah Taanit 5:14 zurück, laut denen es wegen der Zerstörung des Tempels verboten ist, auf jeglichem Musikinstrument zu musizieren sowie den Klang des Liedes zu hören und sich daran zu erfreuen. Mit dem Rückgriff auf Maimonides als Autorität, die laut Samuel Berenstein von weiteren wichtigen Gelehrten, wie Jakob ben Ascher und Joseph Caro in den Werken Tur oder Schulchan Aruch, zitiert werde, kann Berenstein aufzeigen, dass sich bereits frühere Gelehrte wegen der Zerstörung des Tempels für ein Musikverbot ausgesprochen haben. Zudem unterstreicht er damit, sich auf anerkannte rechtliche Autoritäten stützen zu können, die mit der eigenen Aussage übereinstimmen.37
Manche Respondenten verwenden in ihren Responsa den Topos aus dem Beispiel. In diesen Fällen wird ein Schlussmuster gebildet, indem ein Beispiel39 angeführt wird, aus dem etwas allgemein abgeleitet wird. So nutzt beispielsweise Herz Scheuer einen Topos aus dem Beispiel, um damit das Orgelspiel in der Synagoge als falsch darzustellen. Als Beispiel verweist er auf die Stadt Prag mit ihren unterschiedlichen Synagogen. Indem er beispielhaft die eine Synagoge in der Stadt anführt, die das Musizieren auf der Orgel zu bestimmten Zeiten pflegte, zeigt er auf, dass in dieser Synagoge niemals am Schabbat oder an einem Feiertag auf der Orgel musiziert worden ist. Implizit verdeutlicht Herz Scheuer damit, dass sogar in dem Fall, dass einmal das Orgelspiel in einer Gemeinde oder einer Stadt praktiziert wird, dieses niemals an einem Schabbat oder Feiertag zu erlauben ist. Da Herz Scheuer die Praxis in der Stadt Prag weiter beispielhaft ausführt und auf die anderen dortigen Synagogen verweist, in denen niemals Orgelmusik gepflegt wurde und seiner Einschätzung nach somit dort das Musizieren auf der Orgel als verboten angesehen wurde, schlussfolgert Herz Scheuer ein generelles Verbot von Orgelmusik.40
Moses Sofer führt ebenfalls einen Topos aus dem Beispiel an, um mithilfe dieses Topos seine Argumentation zu stützen. Er nutzt den Topos aus dem Beispiel, um aufzuzeigen, dass es für die weltlichen Herrscher in den Ländern, in denen man lebe, nicht beleidigend sei, wenn man um die Erlösung und damit Rückkehr nach Jerusalem bete und traurig über das Exil sei. Er führt beispielhaft Nehemia ben Hachalja an, der in seiner Zeit in Babylonien lebte und dort ebenfalls Trauer über die Zerstörung Jerusalems und des ersten Tempels ausdrückte und zu Gott betete, obwohl er einen hohen Rang bekleidete und reich war. Da der damalige Herrscher in Babylonien ebenfalls nicht Böses in der Trauer und Bitte gesehen habe, könne man daraus schließen, dass allgemein nichts Verwerfliches darin liegt, um die Rückkehr nach Jerusalem zu beten, auch wenn es der jüdischen Bevölkerung unter der bestehenden Herrschaft gut gehe.41
In seltenen Fällen findet man in Ele Divre ha-Brit ebenfalls den Ursache-Wirkung-Topos, mit dessen Hilfe von einer Ursache auf eine Wirkung geschlossen wird. Dieser Topos zeigt sich beispielsweise im ersten Responsum von Mordechai Benet. So nutzt Mordechai Benet diesen Topos, um ein Beten in einer anderen Sprache als der hebräischen als Ursache für ein Vergessen der hebräischen Sprache darzustellen.42 Er führt aus, mit dem Wegfall des Gebets auf Hebräisch zerfalle die letzte noch bestehende Möglichkeit, sich mit dem Hebräischen zu beschäftigen, da bereits Übersetzungen von anderen Werken vorlägen. Die mangelnde Beschäftigung mit Hebräisch resultiere somit im Vergessen der hebräischen Sprache.43 Aufgrund der Tatsache, dass die geschlossene Wirkung eine negative ist, könnte man dieses von Mordechai Benet genutzte Schlussmuster auch als Gefahrentopos klassifizieren. Die Gefährdung der hebräischen Sprache entstehe mit dem Wegfall des auf Hebräisch abgehaltenen Gebets.44
Gleichfalls nutzt Jakob Lorbeerbaum einen Ursache-Wirkung-Topos, den er den Vorfahren in den Mund legt: Er führt an, dass die Vorfahren für die Ursache, in einer anderen Sprache als der hebräischen Sprache zu beten, die zwingende Folge, einen fremden Glauben hervorzubringen, erkannt hätten. Den Grund für die Ausformung eines fremden Glaubens sieht er in der vielseitigen Bedeutung eines hebräischen Begriffs, der mannigfaltig übersetzt werden könnte. Auch in diesem Fall kann der Ursache-Wirkung-Topos gleichfalls als Gefahren- und darüber hinaus als Autoritätstopos verstanden werden: Jakob Lorbeerbaum legt den Vorfahren die erkannte gefährliche Wirkung der Entstehung eines fremden Glaubens in den Mund. Somit dient in beiden Fällen der Ursache-Wirkung-Topos gleichzeitig der Abwertung der Reformer; eine von ihnen vertretende Position wird von zwei Respondenten als Gefahr erkannt. Somit kann die Abwegigkeit der Ideen der Reformer unterstrichen werden.45
Der Topos der Zeit46 lässt sich ebenfalls als Schlussmuster in Ele Divre ha-Brit entdecken. Mithilfe eines Verweises auf gewisse Zeitumstände wird ein Schlussmuster gebildet. Es kann sowohl auf schlechte Zeitumstände aufmerksam gemacht werden, mithilfe derer auf eine Verschärfung hingewiesen oder eine strengere Festlegung geschlussfolgert wird, als auch auf gute Aspekte der derzeitigen Zeitumstände verwiesen werden, mit denen eine Schlussfolgerung entwickelt wird. Der Hinweis auf eine Verschärfung der Regeln, begründet mithilfe der schlechten Zeitumstände, ist am Ende des Responsums von Herz Scheuer erkennbar: Aufgrund der schlimmen Zeit, in der ganz viele Menschen öffentlich den Schabbat entweihen oder die Zäune einreißen47, würden alle – auch jene Gelehrten, die zu einer Erleichterung tendierten würden – nicht eine Sache, die in der Öffentlichkeit stattfinde, erlauben können.48 Somit stützt er seine Forderung nach verschärften Regeln mit dem Hinweis auf die zeitlich schlechten Umstände, in denen Gebote missachtet werden.
Gleichzeitig nutzt Herz Scheuer ebenfalls die Darstellung von positiven Aspekten seiner Zeitumstände, um damit eine Schlussfolgerung zu konstruieren: Er nimmt den Zeittopos, um damit dem Leser die Notwendigkeit des Betens auf Hebräisch aufzuzeigen: Er hebt hervor, dass in seiner Zeit sowohl Männer als auch Frauen auf Hebräisch zu lesen wissen, da sie sofort die hebräischen Gebete zusammen mit der deutschen Sprache lernen, sodass zwingend auf Hebräisch zu beten sei. Mithilfe dieses Topos und der vorherigen Ausführung, nur das Gebot des Betens auch in einer anderen Sprache erfüllen zu können, wenn man überhaupt kein Wissen über die hebräische Sprache habe, entwickelt er ein stichhaltiges Argument für seine Aussage.49
Der Topos der Zeit ist ebenfalls in Samuel Berensteins Responsum erkennbar, der diesen Topos mit dem Topos des Mehr und Minder/Schluss vom Leichteren auf das Schwerere mischt. Er argumentiert wie folgt, um die Gegenseite von der Wichtigkeit des Hebräischen zu überzeugen: Wenn schon in der bisherigen Zeit auf Hebräisch gebetet worden sei, weil man das Können besessen habe, alle Gebete verstehen zu lernen, sollte dies umso mehr in der aktuellen Zeit gelten, in der es viele Abschriften in andere Sprachen gebe, anhand derer man die festgesetzten Tefilot auf Hebräisch zu verstehen lernen könne.50 Der Topos der besseren Zeitumstände für das Erlernen der hebräischen Sprache sorgt für eine bessere Überzeugungskraft und wirkt wie eine sachliche Darbietung der eigenen Argumente.
Somit zeigt sich, dass der Topos der Zeit in den Responsa als Schlussmuster dient.
Ein bereits von Curtius erkannter Topos, der sich als Klischee oder Motiv beschreiben lässt und kein Schlussmuster darstellt, ist der Dedikationstopos. Der Hamburger Bet Din bedient sich als Herausgeber von Ele Divre ha-Brit des Dedikationstopos, dem zwei Funktionen zukommen: Erstens inszeniert der Hamburger Bet Din die Rechtmäßigkeit seines eigenen Standpunktes, wenn er die Bekanntmachung mit den Worten einleitet, dass er, der Bet Din, ein reines Nachmittagsopfer vor den Israeliten darbringe. Der Bet Din stellt somit die herausgegebene Responsa-Sammlung mit einem Opfer gleich. Zudem präsentiert er damit die ganze Sammlung als gottgewollt, die rein und somit wie ein Nachmittagsopfer sei. Zweitens dient der Dedikationstopos zur Abwertung der gegnerischen Position und der Darstellung des sündhaften Vergehens der Gegenseite: Dies erreicht der Hamburger Bet Din, indem er das Nachmittagsopfer gleichzeitig als Eifersuchtsspeiseopfer präsentiert, „das die Schuld kundtut“51. Da aus dem Kontext ersichtlich wird, dass der Vorwurf der Schuld auf die Neuerungen in Hamburg abzielt, erfolgt somit eine Diskreditierung der Reformer und ihrer Handlungen.
Ein weiterer beliebter Topos in manchen Responsa von Ele Divre ha-Brit ist der Bescheidenheitstopos. In manchen Fällen wird er dadurch konstruiert, dass die Respondenten betonen, nur zu schreiben, weil sie explizit dazu vom Hamburger Bet aufgefordert worden seien. Dadurch geben sie eine Bescheidenheit vor, da sie auf diese Weise betonen, anderweitig gar nicht auf die Idee gekommen zu sein, das Responsum zu verfassen.52 Diese betonte Bescheidenheit steht oft in Kontrast zu den langen Ausführungen der Respondenten. Letztendlich dient dieses Bescheidenheitsmotiv dazu, die halachische Kompetenz zur Geltung zu bringen, wie im Folgenden an ein paar Beispielen aufgezeigt werden soll.
Moses Sofer benutzt in seinem ersten Responsum an den Hamburger Bet Din den Topos der Bescheidenheit. Er betont, er sei von dem Hamburger Bet Din gebeten worden, „ein Körperteil für die Löwen, die Geonim der Zeit, den Bresche-Reparierenden der Generation, zu sein und auch meine Meinung zu geben.“53 Er gibt in diesem Topos somit die Bescheidenheit einer Person vor, die nur auf Aufforderung antwortet und sich nicht selbst als große Person einordnet, sondern als jemand, der nur ein Beiwerk, in dem verwendeten Bild ein Körperteil, für die großen Gelehrten der Generation ist. Diese affektierte Bescheidenheit wird insbesondere durch seine im Anschluss ausführlichen Darlegungen sichtbar und lässt diese noch mehr zur Geltung kommen. Damit gelingt ihm die Inszenierung seiner eigenen Fachkompetenz.
Herz Scheuer nutzt durch die Betonung, von dem Hamburger Bet zum Verfassen eines Responsums aufgefordert worden zu sein, ebenfalls einen Bescheidenheitstopos.54 Doch dient dieser von Herz Scheuer verwendete Bescheidenheitstopos nicht nur zur Inszenierung der eigenen Autorität, sondern auch der des Hamburger Bet Dins. Die Inszenierung der eigenen Autorität erfolgt auf ähnliche Weise wie bei Moses Sofer: Der von Herz Scheuer genutzte Topos, kurz auf die Fragen einzugehen, nur um den Willen des Hamburger Bet Dins zu erfüllen, steht im starken Kontrast zu seinen im Anschluss befindlichen ausführlichen Ausführungen, die sein wirkliches Können in halachischen Fragen somit noch stärker zur Geltung bringen. Seine Ausführung innerhalb dieses Topos, nur aufgrund der Aufforderung zu antworten, verbindet er mit der Aussage, dass der Bet Din seiner Ausführungen nicht bedürfe. Er zeigt somit mithilfe dieses Topos seine Wertschätzung gegenüber dem Bet Din und erkennt ihn als Autoritätsgröße in halachischen Themen an.55 Gleichzeitig dient der Topos dazu, die Richtigkeit der eigenen Position zu untermauern, die mit der des Hamburger Bet Dins deckungsgleich ist.56
Der Zweck der Autoritätsinszenierung ist ebenfalls bei dem von Mordechai Benet genutzten Aufforderungstopos auszumachen. Auch er nimmt sich scheinbar mit dem Aufforderungstopos zurück, um damit erst seinen anschließenden ausführlichen Ausführungen in Rechtsfragen mehr Wirkung zu verleihen.57
Aber der Topos der Bescheidenheit wird nicht immer nur dadurch konstruiert, dass Respondenten darauf verweisen, von dem Hamburger Bet Din zum Verfassen des Responsums aufgefordert worden zu sein. Vielmehr kann der Topos der Bescheidenheit ebenfalls durch Formulierungen wie „meiner bescheidenen Meinung nach“ konstruiert werden. So lässt beispielsweise Mordechai Benet den Topos der Bescheidenheit in seinem ersten Brief an den Hamburger Bet Din ebenfalls durch diese Formulierung entstehen. Da Benet seine Meinung begründet und argumentativ darlegt, scheint diese erwähnte Bescheidenheit zur Inszenierung der eigenen Fachkompetenz zu dienen.58 Auch Moses Sofer nutzt die Formulierung „meiner bescheidenen Meinung nach“, um diesen Topos auf diese Art und Weise zu entwickeln.59
Moses Tobias Sontheim lässt in seinem Responsum ebenfalls einen Bescheidenheitstopos entstehen, auch wenn er anders als die bisher vorgestellten Topoi konstruiert ist. Mit Anspielungen auf und Zitaten von Bibelstellen stellt er sich als bescheidene und niedrige Person dar, die nicht an andere Gelehrte heranreicht: So schreibt er, der kleine Finger anderer Gelehrter sei dicker als seine eigene Hüfte. Damit stellt er sich als weniger bedeutend als die anderen dar. Des Weiteren nennt er sich den „Geringsten der Schafe“ – ein Zitat von Jer 49,20 –, der zu klein ist, um die Rute der Weisheit zu greifen. Damit stellt er sich als geringe Person dar, die das Responsum nur schreibt, weil sie gottesfürchtig sei und sich so gezwungen sehe, den falschen Meinungen zu widersprechen.60 Damit begründet er das Verfassen seines Responsums inhaltlich mit der Notwendigkeit der Situation und gibt vor, nicht aus dem Grund zu antworten, dass er sich selbst als halachische Größe ansieht.
Mit dem Topos der Eindeutigkeit61 versuchen einige Respondenten gewisse Behauptungen oder Ausführungen als unhinterfragt und unzweifelhaft darzustellen. Sie wollen damit zum Ausdruck bringen, dass manche Ausführungen nicht diskutiert werden müssten, da sie so klar und eindeutig sind. Um diese Eindeutigkeit zu betonen, werden meist Formulierungen wie „es ist bekannt und wohlbekannt“62, es ist „bekannt“63, „es besteht kein Zweifel“64 oder „die Sache ist einfach und klar“65 genutzt. Dieser Topos der Eindeutigkeit soll im Folgenden an ein paar Beispielen aufgezeigt werden.66
Moses Sofer verwendet diesen Topos in seinem ersten Brief an den Hamburger Bet Din an zwei Stellen. So nutzt er ihn zu Beginn des Briefes, um damit die gutbekannte und unzweifelhafte Tatsache hervorzuheben, dass bereits der biblische Daniel drei Mal am Tag gebetet habe. Mithilfe dieser betont eindeutigen Situation kann Moses Sofer deutlich machen, wie wichtig ein dreimaliges Beten ist.67 Am Ende seines Briefes verwendet Sofer den Topos der Eindeutigkeit, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass folgende Ausführung eindeutig sei und nicht diskutiert werden müsste: Dass die Geonim, alle Gelehrten der jetzigen Zeit, dem Verbot der Orgelmusik in der Synagoge zustimmen würden. Damit unterstreicht Moses Sofer seinen Richtigkeitsanspruch der Ausführung, dass Orgelmusik in der Synagoge verboten sei. An beiden Stellen betont Moses Sofer somit, dass eine Situation eindeutig und unhinterfragt bestehe und zeigt damit auf, dass er darüber nicht diskutieren müsse.68
Mordechai Benet nutzt diesen Topos im Rahmen seiner Argumentation, warum das Gebet nur auf Hebräisch erlaubt sei. Mithilfe dieses Motivs hebt er hervor, dass es bekannt sei, dass die Gottesnamen, die man nicht auswischen dürfe, mehr als nur eine Bedeutung hätten. Wenn somit jemand den Gottesnamen הוי׳ ב״ה übersetze, der zwei Dinge beinhalte, würden die deutschen Übersetzer mit der Übersetzung „Ewiger“ jedoch nur auf eine der beiden hebräischen Bedeutungen abzielen können. Indem er dieses Manko bei der Übersetzung der Gottesnamen als eindeutig hervorhebt, unterstützt er seine eigenen Ausführungen für das Gebet in deutscher Sprache. Zudem betont er die Eindeutigkeit und nicht zur Disposition stehende Ausführung seinerseits, die Gottesnamen könnten nicht adäquat übersetzt werden und man erwähne mit dieser Übersetzung in Wirklichkeit gar nicht den Namen.69
Einige Respondenten nutzen ebenfalls den Topos der Verwunderung.70 Mithilfe von Formulierungen, die das Erstaunen des Respondenten über eine Begebenheit oder Lehre ausdrücken, suchen die Respondenten, die Fragwürdigkeit eines Arguments oder eines Vorgehens der Gegenseite, in diesem Fall der Reformer oder der Respondenten in Noga ha-Zedek, zu betonen und damit diese Position abzuwerten. Gleichzeitig inszenieren sich die Respondenten auf diese Weise als Sachautorität, die Fehler oder ein merkwürdiges Verhalten von anderen leicht erkennen können.
So führt beispielsweise Mordechai Benet diesen Topos in seinem ersten Brief an den Hamburger Bet Din an, um damit sein Unverständnis über die Abänderung der Gebete verstärkt zum Ausdruck zu bringen, die für ihn klar den Festlegungen der Talmudgelehrten widersprechen.71 Damit übt er nicht nur Kritik an der Gegenseite, sondern stellt sich als eine Rechtsautorität dar, die leicht die Fehler der anderen Seite aufdecken kann.
Eleasar Löw verwendet ebenfalls den Topos der Verwunderung, wenn er sein mangelndes Verständnis für einen der Respondenten in Noga ha-Zedek betont, der das Orgelspiel an den Schabbatot des Jahres erlaubt hatte.72 Mithilfe einer rhetorischen Abwertung der Gegenseite inszeniert Eleasar Löw gleichzeitig seine eigene Fachkompetenz und bringt zum Ausdruck, die andere Seite beurteilen zu können.
Auch im ersten Responsum des Moses Sofer ist beispielsweise der Topos der Verwunderung zu finden. Moses Sofer betont sein Unverständnis über ein Vorgehen der Reformer am Schabbat und die mögliche Begründung der Reformer, um damit die Gegenseite als wenig glaubwürdig darzustellen. So legt Moses Sofer seine Verwunderung über die Tatsache dar, dass die Reformer am Schabbat zwei Tefilot/Gebete sprechen, das erste vor dem Lesen der Thora und das zweite danach in der falschen Formel. Er zeigt auf, wenn die Reformer dies mit der Begründung machten, dass man früher zur Zeit des Tempels am Schabbat zwei Arten von Opfern dargebracht habe, müssten sie auch am täglichen Gebet festhalten. Indem Moses Sofer forciert sein Befremden über die Reformer ausdrückt und damit eine nach seinem Verständnis fehlerhafte Auffassung zum Ausdruck bringt, inszeniert er sich als sachkompetent.73
Des Weiteren lässt sich der Gebets-/Anrufungstopos in einzelnen Responsa finden, der in diesen Fällen die Funktion hat, die Gottlosigkeit der Reformer verstärkt zu betonen: Durch ein Anrufen Gottes mit der Bitte, dass dieser die Reformer zum Einlenken bewegen oder seine Boten schicken möge, um die Zerstörung des Glaubens zu verhindern, soll dem Leser die Unrechtmäßigkeit der Reformer vergegenwärtigt werden. Dies zeigt sich beispielsweise in den Responsa von Abraham Tiktin und Eleasar Löw.
Abraham Tiktin verkündet in seinem Schreiben, zu Gott beten zu wollen und zu hoffen, dass Gott das Herz derjenigen wenden möge, die gerade irren.74 Damit unterstreicht Tiktin, dass die Fehler eindeutig auf Seiten der Reformer liegen und man gegenüber den Reformern keine Zugeständnisse machen muss. Nur durch die Anbetung zu Gott, den man bittet, die andere Seite zum Einlenken zu bewegen, könnten diese von ihrem Irrtum umkehren.
Eleasar Löw nutzt ebenfalls den Anrufungstopos und betont in seinem Brief folgendes Gebet an Gott: Ihn zu bitten, denjenigen Boten zu schicken, die seinen Glauben zerstören wollten, damit die Boten die Zerstörung verhindern werden. Damit unterstreicht Eleasar Löw mithilfe des Anrufungstopos ebenfalls die Gottlosigkeit und Unrechtmäßigkeit der Reformer.75
Eine Vielzahl der oben vorgestellten/herausgearbeiteten Topoi – sowohl der literarischen Topoi als auch der Schlussmuster-Topoi –, die in Ele Divre ha-Brit zu finden ist, wird ebenfalls von David Zvi Hoffmann genutzt, um die Adressaten von der Richtigkeit seiner eigenen Ausführungen zu überzeugen. Darunter sind insbesondere der Bescheidenheitstopos, der Verwunderungstopos, der Topos der Zeit, der Ursache-Wirkung-Topos, der Topos des Mehr oder Minder, der Autoritätstopos sowie der Topos der Eindeutigkeit zu nennen.
Wie in Ele Divre ha-Brit wird auch in Melamed Lehoʿil der Bescheidenheitstopos auf unterschiedliche Art und Weise gebildet: So findet man beispielsweise wie in Ele Divre ha-Brit eine Art Aufforderungstopos, wenn Hoffmann betont, nur aufgrund der Bitte von Anfragenden sich überhaupt an die Thematik zu wagen,76 sowie die häufige Verwendung von Formulierungen wie „meiner bescheidenen Meinung nach“, die oft die Ausführungen begleiten oder rahmen. Da die betonte Bescheidenheit häufig im Kontrast zu den überzeugenden Antworten oder zu einer elaborierten Kritik an den Ausführungen eines anderen Gelehrten steht,77 kann sie entsprechend der Definition von Curtius als affektierte Bescheidenheit definiert werden.
Ähnlich wie in Ele Divre ha-Brit wird der Verwunderungstopos von David Zvi Hoffmann in Melamed Lehoʿil genutzt, um Positionen von anderen Gelehrten abzuwerten, die nicht den Vorstellungen von ihm selbst entsprechen, wodurch er die eigene Sachautorität präsentiert. Da jedoch die Responsa-Sammlung von Hoffmann in Bezug auf die Adressaten anders als Ele Divre ha-Brit funktioniert, da dort nicht wie in Ele Divre ha-Brit nur von ähnlich eingestellten Respondenten, um eine Bestätigung der von einem selbst geäußerten Verbote gebeten wird, nutzt Hoffmann darüber hinaus den Verwunderungstopos, um gelegentlich eine Annahme der Anfragenden als falsch darzustellen. Damit inszeniert er sein im Vergleich zum Anfragenden besseres Wissen, durch das er falsche Behauptungen leicht erkennen kann.78
Besonders beliebt in der Argumentation des David Zvi Hoffmann ist der Ursache-Wirkung-Topos, um den Adressaten durch überzeugende Schlussmuster von der Korrektheit der eigenen Ausführungen zu überzeugen. Genutzt wird er dabei, um sowohl strenge Lehren als auch erleichternde Lehren zu schlussfolgern, abhängig vom jeweiligen Fall. Dieser Befund unterstreicht somit die Offenheit der Schlussmuster-Topoi. Hoffmann argumentiert mithilfe des Ursache-Wirkung-Topos beispielsweise erschwerend einen Zaun um die Thora zu machen, sie also zu schützen: Er schlussfolgert, eine mögliche Erlaubnis, eine bereits eingeäscherte Leiche zu beerdigen, könnte in der zu verhindernden Wirkung resultieren, dass immer mehr Personen die verbotene Einäscherung nach dem Tod fordern könnten. Dadurch erhält seine Ablehnung einen nachvollziehbaren Grund.79 Als ein Beispiel zur Schlussfolgerung einer erleichternden Lehre kann das Ende des Responsum Melamed Lehoʿil I:12 dienen, in dem er die zu verhindernde Wirkung eines Endes der Gerechten durch ein Festhalten an zu strengen Regeln befürchtet. Plastisch erfahrbar wird diese Gefahr durch Hoffmanns im Kontext dazu stehenden Ausführungen: Sollte ein Rabbiner seine Gemeinde verlassen, da er sich selbst strengeren Restriktionen unterwirft und die in dem Responsum angemerkten Innovationen auf gar keinen Fall annehmen wolle, könnte dies den sehr wahrscheinlichen Effekt haben, dass in der Folge ein Rabbiner eingestellt wird, der die strengen Regeln überhaupt nicht beachtet und somit die Vorschriften vollständig unbeachtet bleiben.80
Wie in Ele Divre ha-Brit findet man in Melamed Lehoʿil den Topos der Zeit, und zwar ist er ebenfalls offen angelegt, doch auf eine gewisse andere Art und Weise. David Zvi Hoffmann nutzt den Verweis auf die zu seiner Zeit bestehenden Zeitumstände, um mit deren Hilfe erleichternde oder erschwerende Regeln zu schlussfolgern. Doch sowohl wenn er erleichternde als auch erschwerende Festlegungen anführt, verweist er oftmals auf die existierenden schlechten oder schweren Zeiten.81
Ebenfalls wiederholt zum Einsatz kommt der Autoritätstopos, indem Hoffmann andere jüdische Rechtsgelehrten anführt, die zuvor zu gleichen Schlussfolgerungen oder Lehren wie er gekommen sind, und damit seiner Aussage mehr Gewicht zu verleihen sucht.82
Im Vergleich der beiden Responsasammlungen erkennt man, dass der Einsatz von Topoi kein singuläres Phänomen von Ele Divre ha-Brit ist, sondern auch in späterer Zeit von Respondenten zur Generierung von Sachautorität genutzt wird.
Responsa als literarische Texte zu lesen und dabei auf die Rhetorik zu achten, kann sehr erkenntnisreich sein. Der Blick auf die in der Ele Divre ha-Brit sowie in Melamed Lehoʿil zu findenden Topoi zeigt, welche Bedeutung der Rhetorik in Responsa zukommt.
Erkennbar wird, dass in den Responsa-Sammlungen eine Reihe an Topoi auszumachen ist; sowohl Topoi, die ein Schlussmuster darstellen, als auch Topoi, die als literarische Motive oder Klischees klassifiziert werden können. Beiden Arten von Topoi kommt bei der Inszenierung der Antwort der Respondenten als die richtige Antwort und damit auch der Inszenierung als Autorität in Rechtsfragen eine wichtige Bedeutung zu.
Topoi, die als Schlussmuster dienen, stellen für die Respondenten ein wichtiges Instrument dar, die eigenen Ausführungen als überzeugend darzustellen. Die Respondenten wollen damit aufzeigen, dass sie wichtige Argumentationsführungen beherrschen. Damit inszenieren die Respondenten ihre Autorität in Sachfragen. Zudem dient insbesondere der Autoritätstopos dazu, sich selbst abzusichern, indem die Respondenten auf anerkannte rechtliche Größen zurückgreifen, mit denen sie eigene Ausführungen zu unterstützen wissen. Zudem wird der Topos aus der Person zusätzlich dazu genutzt, mithilfe der Postulierung einer mangelnden rechtlichen Bildung, Lehren von Respondenten, die sich für gewisse Neuerungen aussprechen, als nicht vertrauenswürdig und nutzbar zu präsentieren.
Topoi, die literarische Motive darstellen, wie der Bescheidenheitstopos oder der Verwunderungstopos dienen ebenfalls der Inszenierung der Sachautorität. Mit ersteren wird die Autoritätsinszenierung erreicht, indem eine Bescheidenheit vorgegeben wird, die in der Regel im Kontrast zu den ausführlichen und dezidierten Ausführungen der Respondenten steht. Damit inszenieren die Respondenten ihre rechtlichen Argumentationen. Der Verwunderungstopos kommt jedoch nicht nur der eigenen Autoritätsinszenierung zugute, sondern dient gleichzeitig der Abwertung oder Diskreditierung der Ausführungen oder Lehrmeinungen der Reformer. Mithilfe der Betonung des Unverständnisses über gewisse Vorgänge oder Lehren der Reformer können die diesen Topos verwendenden Respondenten in Ele Divre ha-Brit einen erheblichen Zweifel daran zum Ausdruck bringen.
Erkennt man bereits im Vergleich der beiden Responsa-Sammlungen, dass gewisse Topoi wichtig für Respondenten sind, um ihre Autorität zu generieren, wird dies umso augenfälliger, wenn man den Blick noch stärker weitet und stichprobenartig im Mittelalter verfasste Responsa auf den Einsatz von Topoi untersucht. Die Mehrheit der in diesem Beitrag beschriebenen Topoi lässt sich ebenfalls in mittelalterlichen Responsa feststellen. Der Bescheidenheitstopos wird zuweilen dadurch von mittelalterlichen Respondenten kreiert, dass sie in Einleitungen betonen, es nicht wert zu sein, ein Responsum zu verfassen. So zeigt sich dieses Phänomen beispielsweise in Responsa von Salomon Adret, Meir von Rothenburg sowie Yaakov ben Moshe Levi Moelin.83 Daneben wird er ebenfalls von Respondenten mit den oben beschriebenen Formulierungen geschaffen, um die Kritik an anderslautenden Auffassungen mit Bescheidenheitsformeln zu rahmen oder einzuleiten.84 Auch der Verwunderungstopos ist in mittelalterlichen rabbinischen Responsa auffindbar, häufig um eine anderslautende Position85 abzuwerten.86 Der Einsatz kann auch dadurch von Nöten sein, dass der Respondent vorher von dem Anfragenden hinterfragt wurde und durch das Betonen der Verwunderung versucht, seine eigene Autorität zu demonstrieren/inszenieren.87 Der Topos der Eindeutigkeit findet ebenfalls in mittelalterlichen rabbinischen Responsa wiederholt mithilfe der oben beschriebenen Semantiken/Formulierungen Anwendung, oftmals um das angefragte Problem als einfach zu lösende Antwort zu rahmen.88 Auch der Autoritätstopos89, der Topos des Mehr oder Minder90 sowie der Ursache-Wirkung-Topos91 werden von mittelalterlichen rabbinischen Respondenten zur Argumentationsführung genutzt, mit dem Ziel den Leser von den eigenen Ausführungen und damit letztendlich auch der Entscheidung zu überzeugen.
Verwenden nun Respondenten im 19. und 20. Jahrhundert wie die Verfasser der Responsa in Ele Divre ha-Brit sowie David Zvi Hoffmann die Topoi, die schon in mittelalterlichen rabbinischen Responsa zu finden sind, dienen sie in zweifacher Hinsicht der Autoritätsinszenierung und -generierung. Die Topoi helfen in ihrer generellen Funktion einerseits dabei, die Ausführungen als korrekt und nachvollziehbar darzustellen. Respondenten in dieser Zeit zeigen andererseits darüber hinaus, wenn sie diese viel und bereits seit dem Mittelalter genutzten Topoi verwenden, dass sie die traditionelle Art, Responsa zu verfassen, beherrschen und sich damit selbst in diese Traditionslinie stellen.
Diese Arbeit ist im Rahmen des in Münster angesiedelten Sonderforschungsbereichs 1385 „Recht und Literatur“ entstanden.⬑
Vgl. dazu unterschiedliche Aufsätze von Washofsky. Beispielsweise: Washofsky, „Responsa and Rhetoric“, 360–409. Washofsky, „Halakhah in translation“, 142–163. Washofsky, „Narratives of Enlightenment“, 95–147, Washofshy, „Ha-pesiqa ha-reformit“, 161–182.⬑
Vgl. auch Kramp-Seidel, „‚Der Satan tanzt.‘ Rhetorische Strategien,“ 125–126.⬑
Regina Grundmann hat die Idee entwickelt, den Einsatz von Topoi und deren Funktion in einer literaturwissenschaftlichen Analyse von Responsa zu untersuchen. Den Bescheidenheitstopos, den Autoritätstopos und den Topos der Verwunderung identifiziert sie ebenfalls in Responsa, ihre Analyse basiert aber nicht auf den hier rezipierten Theorietexten. Vgl. dazu vor allem Grundmann, „‚Und der Wähler wähle!‘“, 438–439.⬑
Vgl. Meyer, Response to Modernity, 54–56. In dieser Sammlung sind Responsa von Gelehrten zu finden, die der Bet Din angeschrieben hatte, um seine zuvor verkündeten Entscheidungen prüfen zu lassen, nach denen das Beten in einer anderen Sprache als der hebräischen, das Ändern der Gebetsformeln und das von einem Nichtjuden ausgeführte Musizieren auf der Orgel am Schabbat und an Feiertagen verboten sei. Nicht alle Respondenten gehen nur auf die Neuerungen der Reformer in Hamburg ein oder stimmen den vom Hamburger Bet Din verkündeten Verboten der Neuerungen zu, sondern weiten noch den Blick auf die von Eliezer Liebermann veröffentlichte Responsa-Sammlung Noga ha-Zedek und dessen Werk Or Noga, die zusammen veröffentlicht wurden.⬑
Göttert, Einführung in die Rhetorik, 37–39 und 85–88.⬑
Vgl. Sprute, „Topos und Enthymem“, 68; Wengeler, Topos und Diskurs, 177.⬑
Vgl. Wengeler, Topos und Diskurs, 183. Auch Kienpointner stellt unter Schlussregeln den Begriff Topos vor. Er nennt zudem den römischen Begriff loci bzw. propositiones. Vgl. Kienpointner, Alltagslogik, 30. Vgl. ebenfalls Clemens Ottmers, der Topik neben einem „Suchverfahren“ als „Schlussmuster“ definiert. Ottmers, Rhetorik, 89.⬑
Sprute, „Topos und Enthymem“, 81–82.⬑
Vgl. Sprute, „Topos und Enthymem“, 81–82; Wengeler, Topos und Diskurs, 183. Vgl. auch Ottmers, Rhetorik, 92.⬑
Vgl. Wengeler, Topos und Diskurs, 182.⬑
Wengeler, Topos und Diskurs, 183.⬑
Wengeler, Topos und Diskurs, 190.⬑
Vgl. Till, „Rhetorik und Poetik“, 445; Wengeler, Topos und Diskurs, 189–192; Seeba, „Ernst Robert Curtius“, 537.⬑
Ottmers nutzt die Begrifflichkeiten in der Regel im Plural und schreibt von Topoi und loci.⬑
Vgl. Ottmers, Rhetorik, 144.⬑
Vgl. Wengeler, Topos und Diskurs, 316.⬑
Zu der Funktion dieses Topos vgl. weiter unten.⬑
Vgl. Wengeler, Topos und Diskurs, 182.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 4, 16; Brief Nr. 7, 22; Brief Nr. 19, 77–78.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 4, 16.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 7, 22.⬑
Vgl. Brocke und Carlebach, Biographisches Handbuch der Rabbiner, 614. Er wird häufig auch als Jakob Lissa bezeichnet. Vgl. Brocke und Carlebach, Biographisches Handbuch der Rabbiner, 614.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 19, 77. Dass eine Schlussfolgerung nicht immer explizit ausgesprochen werden muss, wird auch bei Wengeler ersichtlich, der mit seinem Verweis auf Ottmers und seinen eigenen Ausführungen aufzeigt, dass nicht immer alle Teile eines Argumentationsverfahrens benannt werden müssen. In diesem Kontext wird erwähnt, dass auch die Konklusion fehlen kann. Vgl. Wengeler, Topos und Diskurs, 181.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 12, 30–45.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 2, 3.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 2, 3–4.⬑
Vgl. weiter unten in diesem Aufsatz: Topos der Eindeutigkeit.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 7, 22–23.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 14, 49.⬑
Vgl. Wengeler. Topos und Diskurs, 322.⬑
Mischne Torah, Hilkhot Mamrim 2:2.⬑
Hassagot zur Mischne Torah, Hilkhot Mamrim 2:2.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 3, 6–11, hier 8.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 14, 47.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 17, 63–69, hier 66. In der von den Rabbinern aus Livorno verwendeten Ausgabe steht das Zitat auf S. 14. In der von mir verwendeten Ausgabe (Odessa 1865) befindet sich das Zitat auf den Seiten 42 und כב.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 16, 61.⬑
Wengeler schreibt zu dem Topos aus dem Beispiel: „Weil in dem/den Beispiel(en) X die Eigenschaft Y zukommt/die Bewertung Y von X gerechtfertigt ist, kommt den meisten/allen X die Eigenschaft Y zu/ist in den meisten/allen Fällen die Bewertung Y von X gerechtfertigt.“ Wengeler. Topos und Diskurs, 323.⬑
Es können theoretisch auch mehrere Beispiele sein.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 2, 5.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 3, 9.⬑
Vgl. auch Ottmers, Rhetorik, 95–97.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 4, 14–15.⬑
Vgl. auch Wengeler, Topos und Diskurs, 280, der aufzeigt, dass es sich beim Gefahrentopos neben anderen Topoi um einen „Untertypen des normativen Kausalschemas“ handelt.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 19, 81.⬑
Bereits Kindt führt diesen Topos der Zeit an. Vgl. Kindt, „Argumentation und Konfliktaustragung“, 195.⬑
Dieser Ausdruck des Zaun-Einreißens ist eine tote Metapher im jüdischen Recht. Er wird verwendet, um ein Übertreten einer Anordnung zu beschreiben.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 2, 6.⬑
Vgl Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 2, 4. Herz Scheuer nutzt erneut an anderer Stelle den Topos der Zeit, vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 2, 5.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief, Nr. 16, 59.⬑
Ele Divre ha-Brit, III.⬑
Vgl. Curtius, der seinen Verweis zum Verfassen auf Aufforderung unter der affektierten Bescheidenheit einsortiert. Vgl. Curtius, Europäische Literatur, 93–95.⬑
Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 3, 6–7.⬑
Vgl. auch Arbusow, Colores Rhetorici, 98.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 2, 2.⬑
Der Aufforderungstopos ist beispielsweise ebenfalls noch in den Responsa von Mordechai Benet und Abraham Tiktin erkennbar.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 4, 11. Letztendlich zeigt sich auch bei Abraham Tiktin ein Aufforderungstopos, da er in seinem Responsum betont, von Seiten des Bet Dins gebeten worden zu sein, zum Thema zu antworten. Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 8, 24.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 4, 13. Vgl. auch den zweiten Brief von Mordechai Benet, in dem er ebenfalls durch diese Formulierung diesen Topos der Bescheidenheit entstehen lässt. Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 6, 18.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 3, 9.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 18, 71.⬑
Ein von mir ausgemachter Topos, den ich als Motiv auffasse. Dieser Topos wirkt nicht als Schlussmuster, sondern dient dazu, eine Eindeutigkeit einer Position des Respondenten zu suggerieren.⬑
Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 3, 7 und Brief Nr. 4, 11.⬑
Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 4, 14.⬑
Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 3, 11.⬑
Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 7, 3.⬑
Vgl. zur Betonung von Eindeutigkeit im Entscheidensprozess: Kramp-Seidel, „Semantiken“, 167–168.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 3, 7.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, 11.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 4, 14.⬑
Nach meinem Verständnis ist dies kein Schlussmuster, sondern vielmehr ein literarisches Motiv, das wiederholt in Responsa verwendet wird, um Verhaltensweisen einer Gegenseite abzuwerten oder Unverständnis über Anfragende oder andere Gelehrte deutlich hervorzuheben. Vgl. beispielsweise auch folgende Responsa Shut ha-Raschba, I:53, I:431, Shut ha-Ramban, Nr. 52, 65. Shut ha-Rambam, Nr. 106, Shut ha-Rema, Nr. 3, 106, Iggerot Moshe, Yoreh Deʿah, I:175.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 4, 12.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 7, 23.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 3, 7.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 8, 25.⬑
Vgl. Ele Divre ha-Brit, Brief Nr. 7, 24.⬑
Vgl. beispielsweise Melamed Lehoʿil, II:36. Mit Ausnahme von Ele Divre ha-Brit werden in diesem Artikel alle Responsa-Werke nach dem Responsa Project zitiert.⬑
Vgl. zu letzterem Punkt die Responsa Melamed Lehoʿil I:18; Melamed Lehoʿil I:56; Melamed Lehoʿil II:71.⬑
Vgl. zum Beispiel Melamed Lehoʿil I:112 und Melamed Lehoʿil III:12.⬑
Vgl. Melamed Lehoʿil II:113.⬑
Melamed Lehoʿil I:12.⬑
So verweist er in Melamed Lehoʿil II:115 auf die derzeit schlechten Zeiten, in denen manche ihre Jungen nicht mehr beschneiden lassen, woraus Hoffmann die Erschwerung schlussfolgert, dass ein Junge, der im Alter von 16 Jahren verstorben ist, nicht ohne einen deutlich zu erkennenden Abstand von den anderen Gräbern beerdigt werden dürfe, um den Eltern ihr Fehlverhalten deutlich zu machen. In Melamed Lehoʿil II:38 betont er die Schwierigkeit, in seiner Zeit vollständig observant zu sein, weswegen er erleichternde Regeln anführt.⬑
Vgl. beispielsweise Melamed Lehoʿil I:12; Melamed Lehoʿil I:16.⬑
Vgl. Shut ha-Rashba VI:69; Shut ha-Maharam Me-Rothenburg, Cremona 234; Shut Maharil 61 und Shut Maharil 74.⬑
Vgl. zum Beispiel Shut ha-Ramban 38; Shut ha-Rashbash 72.⬑
Ähnlich wie in den Responsa von David Zvi Hoffmann erkennbar, wird der Verwunderungstopos auch gegen die Anfragenden eingesetzt. Die mit dem Verwunderungstopos einhergehende Kritik kann gegen eine vertretende Auffassung oder gegen die Frage gerichtet sein.⬑
Vgl. beispielsweise Shut ha-Ramban 77; Shut ha-Ramban 20; Shut ha-Rashba I:9; Shut ha-Rashba I:688; Shut Maharil 22.⬑
Vgl. beispielsweise Shut ha-Rashba I:53; Shut ha-Rashba I:709.⬑
Vgl. beispielsweise Shut ha-Rambam 369; Shut ha-Ritba 41; Shut ha-Rashba I:124; Shut ha-Rashba I:227; Shut ha-Rashba IV:80; Shut ha-Rashba I:29; Shut ha-Rashba I:227. Gleichzeitig wird damit ebenfalls vorgegeben, in diesen Antworten nicht entscheiden zu müssen. Vgl. dazu Kramp-Seidel, Salomon Adrets Responsa, 81–87.⬑
Vgl. beispielsweise Shut ha-Ramban 83; Shut ha-Rashba I:78; Shut ha-Rashba I:183; Shut Maharam Me-Rothenburg, Cremona 182 (hier gibt er nur die Lehre der Geonim wieder); Shut Maharam Me-Rothenburg, Cremona 100.⬑
Vgl. z. B. Shut ha-Ramban 18; Shut ha-Rashba I:131; Shut ha-Rashba I:156; Shut ha-Rashba I:70; Shut Maharam Me-Rothenburg, Cremona 20; Shut Maharam Me-Rothenburg, Prag 961.⬑
Vgl. z. B. Shut ha-Rashba I:76; Shut ha-Rashba I:102; Shut ha-Rashba V:189; Shut ha-Ribash 8.⬑
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