Bücherblühen – Anfänge aphoristischer Autorschaft bei Elazar Benyoëtz

Jan Kühne 
Hebrew University of Jerusalem
jan.kuehne@mail.huji.ac.il
Anna Rosa Schlechter 
Universität Wien
anna.rosa.schlechter@univie.ac.at

Abstract

This article focuses on the beginnings of the aphoristic writings of Austrian-Israeli Hebrew poet and rabbi Elazar Benyoëtz (*1937). It draws on two novel sources: his personal library, which is one of the last private book collections in Israel to contain the German-Jewish literary canon, and a first draft of his autobiography. This article follows the first-time analysis of reading traces from the library’s marginalia and paraphernalia; five case studies progressively trace Benyoëtz’s transformation in the 1960s and 1970s from solely a Hebrew poet into the most influential contemporary aphorist in the German language. In addition, the article presents points of departure for future research into the genesis of the Archiv Bibliographia Judaica, the largest encyclopaedia to date on Jewish authors writing in German.

1 Einleitung

„Keine Lebensweisheit, keine Analyse, kein Resultat,
kein noch so tiefsinniger Aphorismus
kann es an Eindringlichkeit und Sinnfülle
mit der recht erzählten Geschichte aufnehmen.“

Hannah Arendt1

1.1 Leben und Werk

Elazar Benyoëtz (אלעזר בניועץ) – so nannte sich Paul Koppel im Jahre 1957, als sein erster hebräischer Gedichtband erschien, unter dem Titel Zwiegespräch mit mir selbst (ביני לבין עצמי). Dieses Zwiegespräch setzt sich in seinem hebräischen Künstlernamen fort, der auch als Aphorismus gelesen werden kann; als „Gott half [dem] Sohn des Ratgebers” ließe er sich übersetzen. Durch die Wahl seines Künstlernamens setzte der debütierende hebräische Dichter ein Gespräch mit seinem Vater und Großvater fort, deren Namen er über die traditionelle jüdische Formel hinaus in seiner neuen hebräischen Identität verschränkte.2 Im hebräischen Akronym seines Namens – dem Wort für „Vater“ (א״ב, Av) – findet diese kreative Selbstzuschreibung ihre äußerste literarische Verdichtung. Beim Akt der Namensgebung ist somit bereits eine Tendenz zur aphoristischen Verkürzung zu erkennen. Zugleich setzt die Wahl eines hebräischen Künstlernamens des in Österreich geborenen Benyoëtz ein Gespräch mit der deutschen Sprache fort: Als er sechs Jahre alt war und bereits in Tel Aviv lebte, starb sein Vater Gottlieb Yoëtz Koppel, und mit ihm verschwand zunächst das Gespräch in der deutschen Sprache. Erst Jahrzehnte später sollte der hebräische Name und Aphorismus „Elazar Benyoëtz“ für einen der bedeutendsten Aphoristiker deutschsprachiger Literatur stehen, der in Israel lebt und schreibt.

Benyoëtz ist observanter Jude und der Gedanke, dass es Gott war, der ihm, dem Sohne seines Vaters Gottlieb Yoëtz Koppel geholfen habe, im Jahre 1939 mit seiner Familie aus Österreich nach Palästina vor den Nazis zu fliehen, ist im Familiennamen seines Künstlernamens angedeutet. Er wird nachvollziehbar vor dem Hintergrund der Kindheit in Palästina, die von der Erziehung durch die religiöse Literatur des jüdischen Kanons geprägt wurde, bevor er, wie Benyoëtz in einer frühen autobiographischen Skizze schreibt, zur „wirklichen Literatur“ kam. Damit ist eine „Literatur im westlichen, weiten Sinne“ gemeint, die für ihn weniger von einem moralisch-dogmatischen als von einem ästhetisch-reflexiven Anspruch gekennzeichnet war.3 In die Zeit dieser Neuorientierung fallen auch die ersten Anfänge aphoristischen Schreibens.

Bevor Benyoëtz im Jahre 1959 in Jerusalem zum orthodoxen Rabbiner ordiniert wurde – zwei Jahre nachdem sein erster hebräischer Gedichtband erschien – war das literarische Talent wiederholt hervorgetreten: In Tel Aviv besuchte er die religiöse Volksschule Bilu und verfasste bereits in der vierten Klasse eigene hebräische Gedichte. Im talmudischen Internat, der Jeschiwa von Kfar Haroeh, einem der religiösen Moschaw-Siedlungen Israels, folgte die erste Gedichtsveröffentlichung des damals Fünfzehnjährigen, in der orthodoxen Wochenzeitung „Chason“.4 Es waren umsichtige Lehrer, die sein Talent als hebräischer Lyriker erkannten, es prüften und daraufhin förderten. Bis zur Veröffentlichung des ersten Gedichtbands, noch während seiner Dienstzeit in der israelischen Armee, erschienen vereinzelt Gedichte und Übersetzungen in verschiedenen hebräischen Zeitungen und Zeitschriften (z. B. Haaretz, Moznaim). Nachdem Im Zwiegespräch mit mir selbst erschienen war, wurde er 1957 in die Hebräische Schriftstellervereinigung aufgenommen.5 Er machte sich Freunde und Mentoren unter den Intellektuellen und Schriftsteller:innen seiner Zeit, insbesondere zählten Ya’akov Cahan und Salman Schneur zu seinen Wegbegleitern und Förderern.6 In der israelischen, vom osteuropäischen Judentum beeinflussten Kulturszene war ein orthodoxer Habitus weniger ungewöhnlich als unter den Vertretern deutschsprachig-jüdischer Literatur, in deren Tradition er sich nach seiner Verwandlung vom hebräischen Lyriker zum deutschsprachigen Aphoristiker selbstbewusst einreihte. Kaum ein anderer deutschsprachig-jüdischer Schriftsteller ist so stark von der orthodoxen Tradition geprägt wie Benyoëtz – sowohl in Palästina und Israel, als auch in Europa. Dies hebt ihn hervor unter den erfolgreichen modernen und zeitgenössischen deutschsprachig-jüdischen Schriftsteller:innen überwiegend liberaler oder säkular jüdischer Orientierung.7

Jüdische Tradition und poetisches Schaffen gehen in Benyoëtz’ Schriften eine fruchtbare Symbiose ein, in hebräischer und in deutscher Sprache.8 Dem hebräischen Debüt folgten elf in Hebräisch veröffentlichte Gedichtbände, teils sich mit den seit 1969 regelmäßig erfolgten, nunmehr fast 60 Publikationen zählenden deutschsprachigen Buchveröffentlichungen überschneidend. Auch in den Texten selbst treffen mitunter Deutsch und Hebräisch aufeinander, in äußerst seltenen Fällen sogar in homophonen Formulierungen, durch die sich beide Sprachen klanglich plan und simultan überlagern.9 Gefördert wurde diese zweisprachige literarische Tätigkeit durch eine unangenehme Begebenheit: Während seines Wehrdienstes wurde er verletzt und daraufhin kampfuntauglich; musste seinen Traum, Kampfoffizier zu werden, aufgeben. Anstelle fand er eine Position als Kulturoffizier und Bibliothekar. Nach der Armee folgte ein zweijähriges Studium der Philosophie und hebräischer Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Neben anderen „Brotverdiensten“ arbeitete Benyoëtz unter anderem als Bibliothekar,10 beispielsweise von 1958 bis 1960 am Jerusalemer Rav-Kook-Institut, einem religiösen Forschungszentrum und Verlagshaus. Daraufhin folgte bis 1963 die Anstellung als Archivar im Archiv der Hebräischen Schriftstellerverbandes (Gnazim).11 In diesen Jahren begann er systematisch Bücher zu sammeln, insbesondere deutschsprachig-jüdische Literatur, denn er war „fest entschlossen, die Literatur der Juden in ihrer Vielfältigkeit kennenzulernen und für die gemordeten, verschollenen und vergessenen Dichter alles zu tun, was ein Dichter tun kann.“12 Diese Absicht begann schließlich „fremde Blüten zu treiben“, wie er es nannte, womit insbesondere die Fortsetzung der deutschsprachig-jüdischen Tradition seiner Väter in der eigenen hebräischen Forschungsarbeit und Literatur gemeint war.13 So begann beispielsweise die Arbeit an einer hebräischen Anthologie deutschsprachig-jüdischer Lyrik, für die er Anfang 1963 zu Recherchen über Wien nach Westdeutschland reiste (siehe auch Abschnitt 2.1.). Diese Reise brachte ihn in seiner Heimat „in Verruf“;14 sie beendete de facto seine Karriere als hebräischer Dichter.15 Zugleich ist im Umfeld dieser Reise eine Festigung der künstlerischen Selbstwahrnehmung wie auch -darstellung zu beobachten, wenn er schreibt: „Als ich Ende 1962 zu meinem deutschen Schicksal aufbrach [nach Westdeutschland reiste], wusste ich ebenso entschlossen wie ahnungslos nur zwei Dinge: dass ich ein Dichter und ein Jude war – in dieser Reihenfolge.“16

Während seines dreijährigen Forschungsaufenthaltes in Westdeutschland begann sich Benyoëtz in einen der bedeutendsten deutschsprachigen Aphoristiker zu verwandeln. Sein hebräisches Tagebuch verzeichnet in dieser Zeit zunehmend deutschsprachige Einträge – eine zweisprachige Praxis, die er nach seiner Rückkehr nach Israel im Jahre 1966 beibehalten würde. Erste aphoristische „Blüten“ veröffentlichte er daraus in seinem deutschsprachigen Debüt Sahadutha, das 1969 in Berlin erschien.17 Das Nachwort zu dieser Aphorismensammlung schrieb, unter dem Synonym George Itamar, Renate Heuer – eine Germanistin, die er in Frankfurt am Main kennengelernt hatte. Mit ihr rief er die Bibliographia Judaica ins Leben, einen dreibändigen bibliographischen Katalog, der einen ersten Nachkriegsversuch darstellt, alle deutschsprachig-jüdischen Autor:innen der Neuzeit zu verzeichnen.18 Heuer vervollständigte dieses Projekt in ihrem monumentalen bio-bibliographischen Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, dessen letzter und 22. Band nach jahrzehntelanger, hürdenreicher Arbeit im Jahre 2013 veröffentlicht wurde.19 Zusätzlich zu den bibliographischen Angaben der jeweiligen Autor:innen enthält es zahlreiche Informationen über deren Leben, Werk und Rezeption; es stellt bis heute eines der wichtigsten und bedeutendsten Werke zur Erforschung deutschsprachig-jüdischer Literatur dar.20 Mit den Anfängen der aphoristischen Autorschaft von Benyoëtz werden daher zugleich die Anfänge des bibliographischen Projekts der Bibliographia Judaica berührt, sodass auch die bibliographische Arbeit als weiterer Ansatzpunkt für die Erforschung der aphoristischen dienen kann, vice versa.

1.2 Forschungsstand und Quellen

Als Friedemann Spicker im Jahre 2004 Benyoëtz ein Exemplar seiner tausend Seiten starken Forschungsarbeit Der deutsche Aphorismus im 20. Jahrhundert schenkte, fügte er folgende Widmung hinzu: „Für Elazar Benyoëtz, der sich in diese Gattungsgeschichte an herausragender Stelle eingeschrieben hat.“ Dieses Alleinstellungsmerkmal begann sich in den 1990er-Jahren zu festigen, 30 Jahre nach Beginn seiner aphoristischen Arbeit. Vereinzelt waren seine Aphorismen in den Feuilletons einiger deutscher Zeitungen (FAZ, Die Zeit, Welt etc.) besprochen worden, dann nahm ihr Bekanntheitsgrad mit der Verleihung des renommierten Adelbert-von-Chamisso-Preises zu, den Benyoëtz 1988 erhielt. Fortan werden seine Aphorismen wiederholt in einschlägigen deutschsprachigen Anthologien erwähnt; mehrere Enzyklopädien und Handbücher zur deutschsprachig-jüdischen Gegenwartsliteratur vermerken ihn zumeist als israelischen Aphoristiker deutscher Sprache.21 Die vorausgegangene hebräische Schaffensperiode bleibt dabei oft ausgeblendet: die Entstehung seines Werks wurde weder im Kontext der deutsch-jüdischen Literatur betrachtet, die nach 1933 im Mandatspalästina und im späteren Israel entstand, noch im Kontext traditioneller jüdischer und neuhebräischer Literatur.22 Die deutschsprachige Forschung der letzten Jahre ist häufig in theologische Diskurse eingebunden und fokussiert auf die Auslegung religiöser Themen wie biblischer Kommentare, unter anderem im Kontext einer Shoah-Aufarbeitung, die der Apologetik des abendländischen Gottesgedankens verpflichtet ist, der Theodizee.23 Germanistische Forschungen hingegen konzentrierten sich bisher überwiegend auf die ästhetische Form des Benyoëtz’­schen Aphorismus, der als innovativ gilt in der deutschsprachigen Gattungsgeschichte dieser kleinen literarischen Form.24

Neben der Ausblendung von Benyoëtz’ hebräischer Schaffensphase blieb die Erforschung von Leben und Werk primär auf seine eigenen, zumeist unhinterfragten Selbstdarstellungen beschränkt. Der vorliegende Artikel ist ein erster Versuch, diesen Rahmen und seine Deutungsmöglichkeiten zu erweitern – einerseits durch die erstmalige Analyse von Lesespuren in seiner Autorenbibliothek, deren hier vorgestellten Fallstudien andererseits mit Hilfe einer bislang unbekannten und frühen autobiographischen Skizze kontextualisiert werden. Diese um 1961 verfasste Skizze25 ist ein Schwellentext, der den beginnenden Übergang von seiner hebräischen Dichtung zur deutschsprachigen Aphoristik markiert. In ihr kommt eine hebräische Stimme von Benyoëtz zu Wort, deren Ton sich wesentlich von späteren, deutschsprachigen Selbstdarstellungen unterscheidet. Sie erlaubt neue Einblicke in die Anfänge seines aphoristischen Schreibens, die in der israelischen Lebens- und hebräischen Schaffensphase zu finden sind, noch vor seiner Reise nach Deutschland Anfang 1963. Beispielsweise in seinen hebräischen Übersetzungen der Gedichte Else Lasker-Schülers um 1960, auf die hier näher eingegangen wird (siehe 2.2.), oder mit Blick auf die erste von Benyoëtz bislang bekannte Erwähnung des Aphorismus – in seiner hebräischen Übersetzung einer Auswahl von Aphorismen Christian Morgensterns,26 deren Erforschung einer späteren Publikation vorbehalten ist.

Im Vergleich zu den deutschsprachigen Anthologien der letzten zwei Jahrzehnte, in denen Benyoëtz immer wieder vertreten ist, fehlen seine der deutschen Sprache und dem hebräischen Sprachdenken gleichzeitig verpflichteten und daher schwer übersetzbaren Aphorismen in vergleichbaren englischsprachigen Sammlungen. Seine Rezeption ist bisher auf den deutschsprachigen Raum beschränkt.27 Erschwerend kommt hinzu, dass in der hebräischen Literaturwissenschaft Aphorismen bislang keinen Forschungsschwerpunkt bilden und nur vereinzelt am Rande der Parömiologie, der Sprichwortforschung, behandelt werden.28 Dies dürfte einer der Gründe sein, warum die hebräischen Aphorismen von Benyoëtz in Israel bislang keine kritische oder wissenschaftliche Aufmerksamkeit fanden – trotz der Fürsprache namhafter Dichter wie Dan Pagis, Tuvia Rübner und Shin Shalom.29 Ein weiterer Grund für diese Nicht-Rezeption mag darin zu finden sein, dass von israelischen Künstler:innen noch Jahrzehnte nach der Staatsgründung die Reproduktion des nationalistischen Pathos der Gründergeneration erwartet wurde. Aphorismen rufen jedoch zur Reflexion auf und unterscheiden sich darin vom politischen Slogan – ein Punkt, zu dem zurückzukehren sein wird. Einen weiteren Grund mag auch Benyoëtz’ langjähriger Aufenthalt im Westdeutschland der 1960er-Jahre darstellen, noch vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel. Damals habe Benyoëtz „verbotenes Land“ betreten, seine hebräische Dichtung sei dabei „ungültig und gleichgültig“ geworden und fortan aus ideologischen Gründen geächtet worden.30

Unterdessen entwickelte sich Benyoëtz zu einem der einflussreichsten Aphoristiker deutscher Sprache, sodass die Österreichische Nationalbibliothek in Wien im Jahr 2011 seinen Vorlass31 erwarb, der auch hebräischsprachiges Material enthält. Dieses vorgelassene Archivmaterial ermöglicht zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten,32 die ihn und die Bedeutung seines Werk auf lange Sicht auch in seinem Geburtsland Österreich bekannter machen dürften.33

Neben dieser Archivquelle schöpft der vorliegende Artikel aus einer weiteren, bisher unerschlossenen Quelle: Im Jahr 2021 wählte Benyoëtz 600 Bücher aus seiner zirka 10.000 Bände umfassenden Autorenbibliothek aus, als Schenkung für das Franz-Rosenzweig-Minerva-Forschungszentrum für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. Diese Auswahlbibliothek enthält den kuratierten Kern seiner Autorenbibliothek, den er in einem die Schenkung begleitenden Gedicht passenderweise als „Selbstbildnis in Büchern“ bezeichnete.34 Dieses metaphorische wie materielle Selbstbildnis kann daher auch als auto-bibliographisches Abbild seiner aphoristischen Autorschaft bezeichnet werden, als Bereicherung für die Diskussion um die „nicht besonders exponierte“ Frage der Autorschaft in der Autorenbibliotheksforschung.35 In dieser Auswahlbibliothek ist der Autor zugleich für die Kuratierung seines Sekundärwerks verantwortlich; sie enthält: (1.) seine eigenen Schriften, das Primärwerk, darunter (2.) Veröffentlichungen in anderen Büchern, samt (3.) umfangreicher Forschungsliteratur über sein Leben und Werk, zudem (4.) Widmungsexemplare, die einen Einblick in das soziale Netzwerk und seine literarischen Allianzen ermöglichen,36 außerdem (5.) Kontext- oder Sekundärliteratur, die Benyoëtz aufgrund ihrer Bedeutung für seine Schriften auswählte. Dieses „Selbstbildnis in Büchern“ spiegelt somit nicht nur Benyoëtz’ autobibliographische Selbstwahrnehmung und seine Rezeptionssteuerung wider – wie er im Verhältnis zu anderen Schriftstellern gelesen, gedeutet und kategorisiert werden möchte –, sondern stellt auch eine Kristallisierung seiner Lesegewohnheiten und Schreibpraktiken dar, deren Spuren dieser Artikel gewidmet ist – auf der Suche nach den aphoristischen Quellen seiner deutschsprachigen Autorschaft.

1.3 Autorenbibliotheks- und Lesespurenforschung

Autorenbibliotheken spiegeln die mit den Lesegewohnheiten ihrer Autor:innen verbundenen Schreibpraktiken auf zweierlei Ebenen: Auf der Makroebene bilden Büchersammlungen den materiellen Ausdruck eines literarischen Kanons, der das Autor:innenwerk prägt; auf der Mikroebene ermöglichen Lesespuren in den Büchern Rückschlüsse auf die zwischen Lesegewohnheiten und Schreibakten bestehenden geistigen wie emotionalen Wechselbeziehungen. So kann Benyoëtz’ Vorstellung eines „Selbstbildnis in Büchern“ sowohl mit Blick auf die literarische „Physiognomie“37 seiner Büchersammlung gelesen werden, als auch auf die Marginalien seiner Bücher, auf deren beabsichtigten und unbeabsichtigten Lesespuren. Die Erforschung dieser auto-bibliographischen Selbstdarstellung aphoristischer Autorschaft in der von Benyoëtz selbst kuratierten Auswahlbibliothek erfordert daher eine Forschungsmethode, welche diese beiden Ebenen in Beziehung zueinander liest.38 Während auf der Makroebene von Interesse ist, welcher Kanon und welche Paraphernalien sich wie in den Büchersammlungen und im literarischen Schaffen widerspiegeln, werden auf der Mikroebene anhand von Einschreibungen in einem gegebenen Text und seiner Ränder geistige und emotionale Austauschprozesse nachvollziehbar. Beide Ebenen – Kanon und Marginalien – stellen miteinander verknüpfte Aspekte der Lesegewohnheiten und Schreibpraktiken eines Autors dar, die von Elementen performativer Selbstdarstellung durchdrungen sind, denn: „an author’s personal library, his notes and multiple drafts are a valuable aspect of both the context and the author’s self-presentation, and therefore constitute an important element in his cultural negotiation.“39

In der vorliegenden Studie sind es vor allem deutschsprachige Wechselbeziehungen, die sowohl in einem kulturellen wie politischen jüdischen Kontext, als auch literarisch hebräischen Kontexten stattfinden. Benyoëtz’ Autorenbibliothek kann als ein deutsch-hebräisches „Laboratorium“ gesehen werden, das die Beobachtung interkultureller Praktiken in ihren individuellen Ausprägungen möglich macht.40 Er repräsentiert als einer der Letzten die Generation deutschsprachig-jüdischer Flüchtlinge und Migrant:innen nach Palästina und Israel, den so genannten Jeckes.41 Seine Bibliothek gehört zu den wenigen noch existierenden privaten Sammlungen in Israel, die den deutschsprachig-jüdischen Kanon umfassen. Sie diente über Jahrzehnte hinweg als Zufluchtsort und Auffanglager für private literarische Nachlässe42 sowie andere deutschsprachige Bibliotheken, die bis heute – teils aus pragmatischen, teils aus ideologischen Gründen – in Israel dem langsamen Zerfall oder gar der schnellen Entsorgung überlassen werden.43 Die Erforschung von Benyoëtz’ Bibliothek ist daher von Erwartungen begleitet, die sich nicht nur auf die Möglichkeit beschränken, einen Blick hinter die Kulissen der Autorschaft und der Werkentstehung zu werfen. Der vorliegenden Untersuchung liegt dabei die Annahme zugrunde, dass jeder Schreibprozess eine „Adaptierung bestehender Texte und Themen“ ist, über die Lesespuren verschiedene, wenn auch nicht endgültige Einblicke ermöglichen:44 „Die Frage ist, wie aus den Büchern der Bibliothek neue Bücher werden.“45

Benyoëtz ist nicht nur als Aphoristiker zu lesen, sondern auch als rabbinisch ausgebildeter Gelehrter, der an nichtjüdische literarische und geistige Traditionen anknüpfend als Archivar, Bibliothekar, Philologe und Kritiker arbeitet. Dabei stets als Dichter, auch im wörtlichen Sinne, das heißt als „Verdichter“ des Gelesenen – in Hebräisch und Deutsch –, der seine Gedankenerzeugnisse in Aphorismenform ausdrückt.46 Die Auswahl aus seiner Gesamtbibliothek deutet in diesem Kontext auf einen Vorgang der Verdichtung hin, der demjenigen ähnelt, aus dem seine aphoristischen Schriften hervorgehen, wie im folgenden Abschnitt erläutert wird.

1.4 Aphorismenforschung

Ein Buch in einem Satz oder gar Wort zu verdichten, mit möglichst knappen Worten die Essenz aus einem Buch oder einer Anthologie wie der Thora und des Tanach zu ziehen – dieses Bestreben motiviert Benyoëtz’ aphoristisches Schreiben: „Der Traum vom Buch / das aus einem einzigen Satz besteht, / scheint ein alter jüdischer Traum zu sein.“47 Dieser „Traum“ führt den Ursprung seiner deutschsprachigen Aphorismen auf einen althebräischen Kontext zurück: „Schon die Sprüche der Väter / enthalten Variationen darüber / und Belege für dessen Erfüllbarkeit: / Ein Name, ein Satz, wortfest genug, / um von der Erinnerung auf Jahrhunderte / umarmt zu werden.“48 Abgesehen davon, dass die populäre talmudische Komposition der Sprüche der Väter (i. O.: Avot, אבות; hebr.: „Väter“, auch: „Paradigmen“) Zeugnis gibt für den dominanten Einfluss einer griechisch-römischen Literaturgattung auf den althebräisch-aramäischen Kanon,49 hebt Benyoëtz’ Darstellung eines jüdischen Ursprungs des Aphorismus einige Schlüsselelemente in den bestehenden Definitionen dieser kleinen literarischen Form hervor:50 Die Sprüche der Väter zählen zur Kategorie der Weisheitssprüche, aus denen sich aphoristische Formen in westlichen, orientalischen und asiatischen Literaturen herausbildeten.51 Obwohl es sich um eine der ältesten literarischen Gattungen der Weltliteratur handelt, leitet sich der Name „Aphorismus“ aus dem Griechischen ab (von ἀφορισμός: Abgrenzung); Hippokrates prägte die Bezeichnung für seine Anthologie konziser Aussagen konzentrierten medizinischen Wissens, in einer Zeit, in der Wissen primär mündlich überliefert und entsprechend mnemotechnisch formuliert wurde. Trotz der griechischen Bezeichnung ist diese Gattung daher nicht auf die griechische Literatur beschränkt. Insbesondere in der deutschsprachigen Moderne bildete der literarische Aphorismus eine bedeutende Tradition heraus, deren Popularität den Schriften G. C. Lichtenbergs und Friedrich Nietzsches zu verdanken ist.52

In seinem aphoristischen „Traum“ phantasiert Benyoëtz nicht nur davon, Bücher in Wörter und Sätze zu verdichten, sondern führt auch die Ursprünge seiner deutschsprachigen Aphorismen auf die traditionelle hebräische Literatur und seine jüdische Erziehung zurück. Unter den vielen Beispielen, auf die er darin anspielt, findet sich auch die bekannte talmudische Anekdote, der zufolge Rabbi Hillel die gesamte Thora in einem Satz zusammenfasste, mit einer jüdischen Version der sogenannten Goldenen Regel, dem universalen Grundsatz der Reziprozität ethischen Handelns:53 „Was dir verhasst ist, das tue auch keinem anderen an. Das ist die gesamte Thora. Der Rest ist Interpretation. Nun geh und studiere.“54 Dieser aphoristische Spruch verdichtet zwar den religiösen jüdischen Kanon in einem Satz, ermutigt aber gleichzeitig zur Auslegung, zur Auseinandersetzung mit dem Kanon, für den er steht. Diese Art der Verdichtung wird durch halachische Hermeneutik bedingt, die dem religiösen jüdischen Handeln zugrunde liegt. Entsprechend ist der Satz auch als ein Slogan zu verstehen, da er seinem Wesen nach zum Handeln auffordert und hier nach der Verifizierung seiner Gültigkeit – dem Axiom ethischer Reziprozität – durch die eigene subjektive Erfahrung verlangt.55

Mit seinem „altjüdischen Traum“ von einem aus einem einzigen Satz bestehenden Buch – „Ein Name, ein Satz, wortfest genug, / um von der Erinnerung auf Jahrhunderte / umarmt zu werden“56 – verweist Benyoëtz des Weiteren auf eine Tradition jüdischer Aphoristik in der deutschsprachigen Literatur, die von Rahel Varnhagen über Karl Kraus und Elias Canetti über Benyoëtz selbst hinausreicht.57 Der spezifisch religiöse Aspekt dieses „Traums“ findet sich dabei in der Tendenz dieser aphoristischen Verdichtung, letztlich auf einen „Namen“ zu kommen, welcher in Benyoëtz’ Kontext auf den göttlichen „Namen“ (השם) der jüdischen monotheistischen Tradition verweist.58 Im Gegensatz zum dekonstruktivistischen Ausgangspunkt Jacques Derridas, der den Aphorismus mit dem Namen gleichsetzt („Der Aphorismus ist der Name“),59 will Benyoëtz’ deutschsprachiger Aphorismus wesentlich zur Einigung des Namens der hebräischen Gottheit beitragen – als Fragment, das für ein Ganzes steht.60 Mit anderen Worten: Der Benyoëtz’sche Aphorismus ist ein metonymisches Traumprotokoll, das als etwas Größeres als sich selbst ausgelegt werden will: als verdichtetes Buch oder gar Konzentrat (der Lektüre) einer ganzen Bibliothek: der Aphorismus als Bibliothek; das Fragment als Ganzes. Benyoëtz weiß jedoch, dass der Aphorismus, um solch einen Traum zu verwirklichen, gelesen werden muss – von jemand anderem – und, was noch wichtiger ist: er bedarf des aktiven Nachdenkens.

Mit der Dialektik des „Träumens“ zwischen Verdichtung und Auslegung steht Benyoëtz in der Tradition des biblischen Erzählzyklus um die biblische Figur des Joseph – eine stilisierte Selbstdarstellung, die auch in einer der Fallstudien zum Ausdruck kommt. Bei diesen handelt es sich um fünf chronologische, repräsentative Beispiele für die Verschränkung von Benyoëtz’ Autobibliographie mit seiner aphoristischen Autorschaft. Sie sind als mehrsprachige und transnationale Ansatzpunkte gedacht, in Erich Auerbachs Sinne: „konkret und präzis“ zugleich, mit dem „Potenzial zentrifugaler Ausstrahlung“.61 Dieser Ansatz steht dem Aphorismus, dem Aphorismusforscher Ben Grant zufolge, als „ein inhärent interdisziplinäres Genre“ nahe, da er „weit über räumliche und zeitliche Grenzen hinausgeht und Verbindungen zwischen verschiedenen nationalen und sprachlichen Traditionen und historischen Epochen herstellt“. Grant beschreibt das dem Aphorismus zugrundeliegende Prinzip der Kürze und des Fragmentarischen als „die eigentliche Essenz der Moderne“, die sich im Aphorismus als Spannungsfeld zwischen „zentrifugalen und zentripetalen Kräften“ abbildet.62 Der vorliegende Forschungsbeitrag versucht daher, sich der Vorgeschichte von Benyoëtz’ Aphorismen über deren eigene Logik zu nähern, denn „[e]inen Aphorismus schreiben heißt, den Verstand zu gebrauchen; nicht um dessen Welt abzuschließen, sondern um seinen Horizont abzubilden.“63

2 Fallstudien

2.1 „Anthologia Judaica“: Else Lasker-Schüler als Ars Poetica

„Das wichtigste, mir teuerste Buch meiner Jugend“, notierte Benyoëtz erklärend auf die vordere Umschlaginnenseite seiner Ausgabe der von Else Lasker-Schüler im Jahre 1920 erschienenen Gesammelten Gedichte,64 als er es dem Korpus der einflussreichen Kontextliteratur seiner Auswahlbibliothek übergab: „Mein Abschied von ihr ist wie der auf dem Einband gemalte“65 (vgl. Abbildung 1). Im Alter von 23 Jahren hatte Benyoëtz begonnen, Lasker-Schüler zu lesen und eine Auswahl ihrer Gedichte ins Hebräische zu übersetzen, die er in verschiedenen Zeitungen veröffentlichte.66 Diese Übersetzungsarbeit ist teilweise in seinem Leseexemplar der Gesammelten Gedichte nachvollziehbar: Es enthält mehrere hebräische Anmerkungen mit Übersetzungsvorschlägen sowie eine Reihe handschriftlicher Entwürfe für noch unveröffentlichte Übersetzungen.

Abbildung 1Deckblatt der Gesammelten Gedichte von Else Lasker-Schüler (1917); Quelle: Wikimedia Commons.

Den autobiographischen Mitteilungen zufolge entwickelte sich aus der Lektüre und Übersetzungsarbeit von Lasker-Schülers Gedichten die Idee für eine mehrbändige Anthologie deutschsprachig-jüdischer Dichter:innen in hebräischer Übersetzung, die Benyoëtz Anthologia Judaica nennen wollte.67 Zugrunde lag die Vision, den „jüdischen Geist“ deutschsprachig-jüdischer Literatur für die hebräische Literatur verwertbar zu machen, beziehungsweise mit Blick auf die Shoah, metaphorisch gesprochen, die jüdische „Seele“ zu retten, um ihr in der hebräischen Literatur einen neuen „Körper“ zu verleihen.68 Diese Idee einer literarisch-intellektuellen „Rettungsaktion“ fand parallel zu den materiellen Rettungsaktionen der von den Nazis enteigneten jüdischen Bibliotheken statt, im Kontext der seit 1952 offiziellen deutschen Reparationszahlungen und manifesten Wiedergutmachungsbemühungen.69 Der geistige Schirmherr von Benyoëtz’ Projektidee war Martin Buber, dessen gedankliche Nähe sich unter anderem im Rückgriff auf die Vorstellung einer deutsch-jüdischen „Symbiose“ abzeichnet, welche Benyoëtz an anderer Stelle – frei nach Rosenzweig – auch als „Vermählung“ zweier Sprachgeister beschreibt. Diese „Ehe“ wurde jedoch, so Benyoëtz, von deutscher Seite nicht nur betrogen, sondern endete im Partnermord, um bei dieser Metapher für die Shoah zu bleiben. Die Hürde, die er dabei in seinem Projekt zu überwinden hatte – aber nicht überwand –, war die aus dem historischen Trauma erwachsene kategorische Abneigung gegen alles Deutsche, von der selbst die deutschsprachige Literatur jüdischer Autor:innen in Palästina und Israel betroffen war.70 Es erstaunt daher nicht, dass Benyoëtz nur in deutschsprachigen Ländern erfolgreich wurde und sich mit seinen Aphorismen an ihren Buchmärkten orientierte.

Benyoëtz’ Begegnung mit Lasker-Schülers Gedichten markiert den Beginn sowohl seiner Hinwendung zur deutschsprachig-jüdischen Literatur als auch der nie realisierten Anthologia Judaica – ein mehrbändig konzeptualisiertes Lexikon deutschsprachig-jüdischer Literatur, das, bibliographisch geordnet, thematische Textsammlungen in hebräischer Übersetzung präsentierte. Die dafür notwendige textkritische Arbeit deutet sich bereits in den Lesespuren von Benyoëtz’ Lasker-Schüler-Band an, die sein Interesse an bio-bibliographischen Daten bekunden, beispielsweise in unterstrichenen Personennamen.71 Vermerkt wurden zudem Varianten im Vergleich mit anderen Veröffentlichungen – somit erste Vorarbeiten für eine kritische Edition.72

Nicht nur in der Bezeichnung Anthologia Judaica wird die Nähe zur späteren mit Renate Heuer erarbeiteten Bibliographia Judaica und dem von ihr verwirklichten 22-bändigen deutschsprachig-jüdischen Autorenlexikon Archiv Bibliographia Judaica deutlich. Heuer wird in der autobiographischen Skizze, die noch vor der Begegnung mit ihr geschrieben wurde, bereits vorausgeahnt, wenn Benyoëtz schreibt und Jakob Mittelmann übersetzt: „Das ist eine ungeheure Arbeit, die die Kräfte eines Mannes übersteigt. […] Ich hoffe, dass ich im Laufe der Zeit auch eine geeignete Hilfe bekommen werde.“73 Es musste also eine Frau zur Hilfe kommen. Renate Heuers Kräfte und enormen Anstrengungen reichten schließlich aus, um dieses Projekt nach Jahrzehnten ohne feste Anbindung an die in jenen Jahren noch überwiegend patriarchal regierten deutsche Universitäten – ihr Projekt dabei gegen deren Vereinnahmung verteidigend – zu verwirklichen.74 Überdies geschah dies ohne gesicherte finanzielle Unterstützung und nachdem sich Benyoëtz daraus zurückgezogen hatte.75

Das Leseexemplar von Lasker-Schülers Gesammelten Gedichten ist auch mit Blick auf die aphoristischen Anfänge aufschlussreich, zu deren Gunsten Benyoëtz die literaturwissenschaftlichen Projektideen aufgab: Zum einen diente der autobiographische Bezug zu der von Legenden umrankten Figur Else Lasker-Schülers als literarische Lizenz für sein deutschsprachiges Schreiben, zum anderen tritt in seinen Übersetzungen ihrer Gedichte die Tendenz zur aphoristischen Verdichtung hervor. Autobiographisch legt Benyoëtz die Begegnung mit Lasker-Schüler rückblickend just in jenes Jahr, in dem sein Vater verstarb und so die deutsche Sprache aus dem Familienleben verschwand. Über die anekdotische Begegnung mit Lasker-Schüler kehrt sie zurück in seine literarische Selbstdarstellung. Dabei scheint diese mit poetischen wie fiktiven Elementen durchwobene Anekdote die Funktion einer Ars Poetica für seine Einschreibung in die deutschsprachige Literatur zu erfüllen. Den verschiedenen Versionen zugrunde liegt die märchenhafte Verklärung Lasker-Schülers als „eine[r] Hexe“, die Benyoëtz den Kopf tätschelt und ihn „kleiner Joseph“ nennend eindringlich in die Augen schaut:76

Sie [Lasker-Schüler] küsste mich auf meinen Kopf und nannte mich „kleiner Joseph“. Sonst habe ich nichts verstanden, aber ich schöpfte die Blumen von ihren Lippen und steckte sie in die Tasche auf meiner Brust –

Die Blumen sind nicht verwelkt. Siebzehn Jahre später habe ich sie wieder in meinem Herzen gefunden. Heute gebe ich sie ihr zurück, der Else Lasker-Schüler, in ihrer geheimen Blumensprache – auf [H]ebräisch.77

Über die Figur Josephs wird ein gemeinsamer biblisch-mythischer Bezugspunkt hergestellt, der den der Sprache ergänzt:78 Lasker-Schülers zunächst unverständliche (deutsche) Sprache sei in Benyoëtz’ „Herzen“ herangereift, bis er sie um 1960 ins Hebräische zu übersetzen begann. Dabei ist dem Gedanken „ihrer geheimen Blumensprache“ eine deutsch-hebräische Dialektik eingeschrieben – wollte sie doch ihre expressionistischen deutschsprachigen Gedichte als hebräische Gedichte verstanden wissen.79 Dem seinerzeit noch hebräisch dichtenden Benyoëtz dient diese Dialektik seinerseits als Legitimation für die Hinwendung zum Deutschen. Autobiographisch inszeniert wird hiermit eine Szene deutschsprachiger poetischer Überlieferung, die zugleich als Moment der Berufung dient – sowohl als persönliche Legitimation für das aus Lasker-Schülers Übersetzungen entwickelte Anthologia-Judaica-Projekt, als auch für sein aphoristisches Schreiben:

Den ersten Band der hebräischen Anthologie deutschsprachig-jüdischer Literatur wollte Benyoëtz einer Auswahl von Lasker-Schülers Gedichten widmen.80 In den vorab veröffentlichten Übersetzungen lässt sich darin bereits die Tendenz zur aphoristischen Verknappung beobachten: Seine Übersetzung des Gedichts „Liebe“, beispielsweise, verdichtet das Kompositum „Dornenlächeln“ so, dass im Hebräischen ein Neologismus (חִיוּחוֹחַ) entsteht, der in einer Fußnote erläutert werden muss.81 Dort wird der Begriff mit dem grammatikalisch korrekten Äquivalent im Hebräischen erklärt, das für ein hebräischsprachiges Publikum problemlos verständlich ist (חִיוּךְ־חוֹחַ). Hierauf mag sich Renate Heuer unter anderem beziehen, wenn sie in ihrem Judaica-Artikel über Benyoëtz’ hebräische Gedichte und seine Poetik der Übersetzung anmerkt, dass erklärende Fußnoten einer Übersetzung entgegenarbeiteten; ein übersetztes Gedicht müsse „für sich bestehen und aus sich selbst“ in der Zielsprache wirken.82 Indem aber Benyoëtz ein verknapptes Kompositum in Form eines Neologismus in die dadurch erklärungsbedürftig gewordene Übersetzung integriert, rückt er die Verdichtung in den Vordergrund. Dabei überschreitet Benyoëtz eine Grenze vom Übersetzen zum Dichten, wenn er den kreativen Akt als literarische Kunstfertigkeit in einer den Lesefluss unterbrechenden Fußnote hervorhebt. Diese Tendenz zur Verdichtung und Wortneubildung greift die für Benyoëtz charakteristischen, späteren Buchtitel voraus (z. B. Filigranit, Paradiesseits, Identitäuschung, Hörsicht usw.). Eine Wechselbeziehung zwischen Buch und Aphorismus im Werk von Benyoëtz wird hierin deutlich, die sich im Verhältnis vom Buchtitel zur Bibliographie spiegelt.83

2.2 Bibliographien und Slogans: Gershom Scholem und Hugo Bergmann

Vor seiner Reise nach Westdeutschland hatte Benyoëtz vor allem als Bibliothekar gearbeitet, aber auch die Protokolle der Sitzungen des israelischen Parlaments (Knesset) redigiert, war in der Encyclopedia Talmudit involviert und arbeitete im Archiv des Hebräischen Schriftstellerverbands Gnazim.84 Darüber hinaus wird der Kontext, in dem die Idee zur Anthologia Judaica entstand, mit Blick auf seine Zeit als Bibliothekar am Rav-Kook-Institut deutlich (1958–60).85 Das Institut war zu jener Zeit noch an dem gerade gegründeten Projekt einer umfassenden hebräischen Bibliographie beteiligt (Bibliography of the Hebrew Book86), mit dem Ziel der Erfassung aller in hebräischen Buchstaben und jüdischen Sprachen gedruckten Bücher und Publikationen.87 Zahlreiche Texte sowie Lesespuren in Benyoëtz’ Bibliothek zeugen von seiner bio-bibliographischen Arbeit, so auch an dieser hebräischen Bibliographie, die in dieser Fallstudie als weitere Inspirationsquelle für sein Anthologie-Projekt und die daraus hervorgegangene Bibliographia Judaica vorgestellt wird. Die Bibliographia Judaica hatte, wie erwähnt, eine nurmehr bibliographische Ausrichtung, während das Lexikon deutsch-jüdischer Autoren dieses Verzeichnis nicht nur vervollständigte und korrigierte, sondern auch um Informationen zu Leben, Werk und Rezeption der deutsch-jüdischen Autor:innen erweiterte.

Das Projekt der hebräischen Bibliographie wurde offiziell im Jahre 1960 gegründet und zunächst von Gershom Scholem geleitet, der dessen Konzeption in seinem Vorwort zu einer hebräisch-englischen Musterbroschüre aus dem Jahre 1964 darlegte, die das erste Lemma präsentierte. Das in der Bibliothek von Benyoëtz gefundene Exemplar weist zahlreiche Lesespuren auf, vor allem Randstriche. Unterstrichen wurden nur Personennamen – ein für Benyoëtz’ Lesen charakteristisches bio-bibliographisches Scannen.88 Auffällig sind daher zwei unterstrichene, ganze Sätze, die zwei Merkmale hervorheben, die auch für die Bibliographia Judaica gelten, nur in einem deutsch-jüdischen und diasporischen Kontext: (1.) „Thus took shape the idea of compiling a comprehensive National Bibliography“, und (2.) „Its purpose is not to make the work of the professional scholar redundant.“89 Diese Lesespuren heben Aspekte der Kanonisierung und Bibliographie hervor. Sie deuten auf ein Interesse an Scholems Projektdarstellung, das zur bibliographischen Arbeit im größeren kollektiven und nationalen Rahmen anregte – im Gegensatz zu den Bibliographien vereinzelter Privatbibliotheken, zu denen Benyoëtz bisher gearbeitet hatte, beispielsweise der von Hugo Bergmann, wie im Folgenden näher beschrieben wird.

Bibliographische Kataloge von privaten Büchersammlungen bilden eine eigene literarische Gattung. Neben spezifischen Funktionen wie wissenschaftlicher, archivarischer, restitutiver und politischer Arbeit im deutschsprachig-jüdischen Kontext – seit der Wissenschaft des Judentums, im Rahmen zionistischer Staatsgründung und nach der in der Shoah versuchten Zivilisationsvernichtung90 – scheint zudem die Möglichkeit einer „Nachzeichnung der intellektuellen Entwicklung“ ihrer Besitzer:innen von zentralem Interesse.91 Insbesondere stellen dabei die Bibliographien privater Autorenbibliotheken bedeutender Wissenschaftler:innen und Schriftsteller:innen einen Forschungsfundus dar.92 Benyoëtz studierte solche Bibliotheken und bibliographischen Kataloge intensiv, stets auf der Suche nach biographischen und bibliographischen Daten deutschsprachiger Jüdinnen und Juden, sowohl bevor und während, als auch nach seiner Zeit in Westdeutschland. Exemplarisch hierfür sind Lesespuren, die sein intensives Studium bibliographischer Kataloge bekunden, beispielsweise an der Büchersammlung von Hugo Bergmann.

Bergmann blieb Benyoëtz ein Mentor noch nach seinem zweijährigen Studium der Philosophie und hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität. Als Bergmann zu seinem 80. Geburtstag den von Kolleg:innen erarbeiteten bibliographischen Katalog seiner Autorenbibliothek zum Geschenk erhielt, widmete er Benyoëtz ein Exemplar „aus großer Zuneigung“ (בחיבה רבה). Bergmann unterstützte Benyoëtz’ Archivierungs- und Redaktionsarbeit für dessen Anthologieprojekt und war einer der wenigen, die Benyoëtz dazu ermutigt hatten, nach Westdeutschland zu reisen – noch vor dem Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern.93 Benyoëtz studierte Bergmanns Bibliographie sorgfältig und überraschte ihn mit einer zweiseitigen Liste von Korrekturen und Ergänzungen, die Bergmann in einem persönlichen Brief dankend würdigte, der Benyoëtz’ Leseexemplar beilag.94 Der Brief, datiert auf den 24. Oktober 1974, zeugt sowohl von der persönlichen Beziehung der beiden, als auch von Benyoëtz’ Kompetenz wie Leidenschaft für die bio-bibliographische Arbeit:

Mein teurer Freund,

hiermit danke ich Dir für Deinen äußerst herzlichen Brief und die Ergänzungen zu meiner Bibliographie. Dein Brief hat mich sehr glücklich gemacht. Die von Dir angefügten Fragezeichen kannst Du löschen, da Du lagst mit Deinen Vermutungen richtig. […] Erst aus dem von Dir angefügten Brief kam mir wieder zu Bewusstsein, dass ich im Jahre 1910 das Pseudonym „Ish haHar“ [hebr. Berg-Mann] benutzt hatte.

Solltest Du bei Gelegenheit eine Viertelstunde für einen Besuch bei mir erübrigen können, würde ich mich sehr freuen.

Die Slogans [הסיסמאות] von Brenner sind sehr interessant, auch in Hinblick auf die heutige politische Lage.

Nochmals vielen Dank für Deine Hilfe.

Wenn Bergmann Benyoëtz einlädt, die erwähnten „Slogans“ in den Schriften von Yosef Chaim Brenner gemeinsam anzuschauen und zu diskutieren, so bezieht er sich vermutlich auf aphoristische Passagen aus Brenners Tagebüchern. Dabei ist die Vertauschung der Begriffe „Aphorismus“ und „Slogan“ im Hebräischen zurückzuführen auf die stilistische Nähe beider literarischer Kurzformen.95 Außerdem auf die Tatsache, dass sich die Erforschung des Aphorismus als eigenständiges Genre, somit auch dessen Begrifflichkeit in der hebräischen Literatur wie Literaturwissenschaft noch nicht genügend herausgebildet hat.

In jener Zeit in den Siebzigerjahren, in der die Korrespondenz mit Bergmann stattfand, hatte Benyoëtz seine Arbeit an einem hebräischen Aphorismenband begonnen (Sentenzen, 1980, משפטים), der an den Erfolg seiner deutschsprachigen Aphorismen anknüpfen sollte. Doch als er Bergmann seine Aphorismen zeigte, lehnte dieser deren hermetischen Charakter kritisch ab.96 In einer Zeit, in der die hebräische Literatur noch vom politischen Engagement im Pathos der Gründergeneration geprägt war, stellt diese Ablehnung, auf die sechs Jahre später auch seine hebräische Aphorismensammlung stieß, keine Überraschung dar. In der modernen deutschsprachigen Literatur existierte hingegen eine ausgeprägte und stilistisch differenzierte aphoristische Tradition, zu deren bedeutendsten Vertreter:innen – spätestens seit Rachel Varnhagen und insbesondere mit Hinblick auf Franz Kafka, Karl Kraus und Elias Canetti – Schriftsteller:innen jüdischer Abstammung zählen. Benyoëtz, der sich auf diesen aphoristischen jüdischen „Geist“ in der deutschsprachigen Literatur spezialisiert hatte, musste erfahren, dass dessen „Rettung“ sich paradoxerweise in der hebräischen Literatur schwieriger als in der deutschsprachigen gestalten würde. Zudem kann festgehalten werden, dass sich aus dem Zusammenspiel seiner bibliographischen Arbeiten mit seinen Übersetzungen ins Hebräische ein aphoristisches Schreiben entwickelte, dessen Anfänge und Inspirationsquellen noch weitgehend unerforscht sind. Zu fragen wäre daher, ob der bibliographische Eintrag – der Buch­titel – in seiner die Veröffentlichung zugleich bezeichnenden und zusammenfassenden Funktion in Zusammenhang mit der Entwicklung von Benyoëtz’ Aphorismen steht, mit seinem „Traum“ von einem in einem Satz oder Wort verdichteten Buch.

2.3 Kabbalistisches Sprachdenken: Das Sefer Jezira als Aphorismenparadigma

Eines der für Benyoëtz wichtigsten Bücher während seiner Zeit in Westdeutschland war das Sefer Jezira, dessen Lesespuren eine hebräische Quelle seiner deutschsprachigen Aphorismen offenlegen. Der Aufenthalt in Westdeutschland stellte Benyoëtz vor eine persönliche Herausforderung; in dieser Zeit erfuhr er seine „unglücklichsten Tage“.97 Moralischer und spiritueller Bedrohung ausgesetzt – im religiösen Duktus stets in Gefahr, seine „Seele zu verwirken“ –, allein durch den Aufenthalt in jenem Land, in dem der größte der Menschheitsgeschichte bekannte Völkermord verübt wurde und dessen Bewohner für einen Weltkrieg verantwortlich waren, in dem über 80 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Er maß daher neben der schriftstellerischen Tätigkeit dem Studium des traditionellen jüdischen Kanons höchste Bedeutung bei, um seine „Verbindung zum Judentum zu stärken und zu verbessern“.98 Wie solch ein, seinem aphoristischen Schreiben zugrunde liegendes Lernen bei Benyoëtz aussah, davon vermittelt seine autobiographische Skizze einen Eindruck, der zufolge er – das jüdische Gelehrtenideal des sogenannten Matmid nachempfindend – „ständig“ lernte: tags Talmud, nachts Kabbalah.99 Unter den mit dieser ethischen Absicht und religiösen Hingabe studierten traditionellen Büchern befand sich das Sefer Jezira in Form eines noch vor der Shoah, im Jahre 1922 und in Warschau gedruckten Exemplars dieses spätantiken Textes, der für eine mittelalterliche jüdische mystische Tradition repräsentativ ist.100

Das Exemplar ist zerlesen; es zerfällt. Spuren von Benyoëtz’ intensiver Lektüre sind vor allem im ersten Teil zu finden, in der Einleitung des mittelalterlichen Kommentators Ravad,101 des Weiteren am Rande und zwischen den Zeilen und Kommentaren: Auf jeder Seite finden sich zahlreiche Unterstreichungen mit Bleistift und mitunter mit grüner Tinte; gelegentlich Anmerkungen, die vor allem auf der vorderen Umschlaginnenseite gesammelt und geordnet wurden. Dort notierte Benyoëtz unter anderem eine lange Liste von Engelsnamen, zusammen mit einer Liste von Themen, darunter: „[S.] 68[:] über Welten und Träume“. Zwei beigefügte handschriftlich beschriebene Notizzettel enthalten Fragen über einige in den Kommentaren erwähnte Rabbiner und Themen, über die ihm Ya’akov Cahan – als „sein Rabbi“ – Auskunft geben sollte.102 Deutlich wird die Intensivität seines Studiums des Sefer Jezira samt seiner verschiedenen Kommentare.

Das Sefer Jezira ist ein obskurer, wenn auch kanonischer hebräischer Text, über dessen Rezeption mehr bekannt ist als über Ursprung und Inhalt. Offensichtlich vom biblischen Schöpfungsmythos über die Sprechakte einer hebräischen Gottheit inspiriert, versucht das Sefer Jezira (hebr. „Buch der Schöpfung/Kreativität“) die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets in Entsprechung sowohl zueinander als auch mit zehn Emanationen göttlicher Kreativität (sog. Sefirot) zu setzen. Es kann gleichermaßen als Handbuch für magische Rezitation und mystische Techniken meditativer Permutationen sowie als der früheste bekannte Versuch einer gleichermaßen systematischen wie poetischen hebräischen Sprachphilosophie gelesen werden. Mit Verweis auf den Kabbalahforscher Yehuda Liebes, der das Sefer Jezira als Ars Poetica jüdischer Kreativität im Ebenbild seines hebräischen Gründungsmythos liest,103 argumentiert Tzahi Weiss, dass im gesamten Buch „[p]oetische wie innovative Ideen“ zur Sprache kämen.104 Dabei „neigt die lakonische Sprache“ des Buches dazu, so Weiss, des Öfteren „mehr zu verbergen als zu enthüllen“.105 Seine Beobachtung betont somit literarische Merkmale, die das Sefer Jezira mit denen des Aphorismus teilt.106 Für Gershom Scholem bestand es gar gänzlich „aus kurzen Aphorismen“.107 Wenn Benyoëtz es daher als grundlegend für das Verständnis seiner Sprachphilosophie, seines „Sprachdenkens“ bezeichnet,108 dürfte darin auch eine Inspiration für seine Aphorismen zu finden sein. Dass er in jener Zeit in Westdeutschland, als er sich intensiv mit dem hebräischen Sefer Jezira beschäftigte, mit dem Schreiben von deutschsprachigen Aphorismen begann, dürfte daher kein Zufall sein.109 Belege für diese Folgerung finden sich unter anderem in den Lesespuren von Benyoëtz’ Exemplar, aus denen hier einige Beispiele zur Illustration angeführt werden sollen.

In Saadia Gaons Kommentar zum Sefer Jezira unterstrich Benyoëtz vier Worte, die, für sich genommen, einerseits als Anleitung zum aphoristischen Schreiben gelesen werden können, andererseits als Aphorismus eigener Provenienz: „die Mutter des Verstehens [ist] die Sprache des Wesentlichen“ (אם לבינה … לשון עיקר).110 Im Kontext der linguistischen Kosmogenie, die der Weltanschauung des Sefer Jezira zugrunde liegt – eine creatio ex nihilo der Welt vermittels hebräischer Buchstaben voraussetzend –, scheinen einige von Benyoëtz’ Aphorismen sowohl formal als auch thematisch abgeleitet, beispielsweise: „Das Wesentliche / ein Nichts, / wahrgenommen“,111 oder: „Ohne Sprache / gäbe es alles / und weiter / nichts“.112 Eine andere Lesespur verweist auf die Beziehung von Benyoëtz’ Metapher eines „Baumes der Sprache“ zu dem in Ravads Kommentar entwickelten Baumdiagramm der Sefirot hin, welches die Emanationen göttlicher Kreativität in Beziehung zu den hebräischen Buchstaben und ihrer Abhängigkeitsverhältnisse darstellt: „Am Baum der Sprache lehnten wir / und lehnten uns auf – / gegen alles, was das Sagen, ohne uns / haben wollte“.113 In dieser „Auflehnung“ kommt ein anomischer, wenn nicht gar antinomischer Charakter von Benyoëtz’ Kabbalahverständnis zur Sprache, dem die in seiner autobiographischen Skizze beobachtbare Öffnung der religiösen Literatur hin zur Literatur „im westlichen, weiten Sinne“ eingeschrieben ist.114 Als verantwortlich für diese literarische Reifung wird dort der „Dichter-Kabbalist“ Mosche Chaim Luzzatto dargestellt, dessen Einfluss daher nicht nur auf Benyoëtz’ frühe hebräische Dichtung, sondern auch auf seine deutschsprachigen Aphorismen berücksichtigt werden muss.

2.4 Konkurrenten und Kollegen: Co-Lektüre von Joachim Günther mit Werner Kraft

Das Buch mit den meisten Lesespuren in der Auswahlbibliothek von Benyoëtz ist eine Aphorismensammlung, die die Spuren eines zweiten Lesers trägt (vgl. Abbildung 2). Das Exemplar von Joachim Günthers Findlinge (1976)115 – auf das zurückzukommen sein wird – zeigt, wie wichtig der kritische kollegiale Austausch mit Werner Kraft für Benyoëtz’ Entwicklung zum deutschsprachigen Aphoristiker war: Hinter vielen Aphorismen Günthers vermerkte Benyoëtz handschriftlich „Kraft“, im improvisierten Index des vorderen Innendeckels zudem: „angestoßen von W. Kraft“. Zumeist wurden Krafts Bemerkungen neben Günthers Aphorismen notiert,116 manchmal neben Benyoëtz’ eigenen Anmerkungen. Benyoëtz maß also der Meinung Krafts viel Wert bei. Beide waren begeisterte Leser von Karl Kraus, der ihnen als der größte Aphoristiker des 20. Jahrhunderts galt. Kraft war einer der wenigen deutsch-jüdischen Intellektuellen, die in den 1930er-Jahren nach Palästina flohen, ohne jemals in der hebräischen Sprache anzukommen. Er bezeichnete sich zeitlebens als „israelischer Bürger deutscher Zunge“; er schrieb auf Deutsch und war ein Experte deutschsprachig-jüdischer Literatur. Wie Benyoëtz hatte er als Bibliothekar gearbeitet, bevor er ab 1956 überwiegend als freiberuflicher Schriftsteller tätig war. Beruf und literarisches Interesse verband somit beide Schriftsteller. Kraft veröffentlichte zudem im Jahre 1977 eine Aphorismensammlung, die auf die Jahre 1967–1974 datiert ist, also in jenem Jahr endet, in dem Kraft mit Benyoëtz Günthers Findlinge studierte. Die Anmerkungen in Benyoëtz Exemplar lassen somit Rückschlüsse zu auf eine Form von Chavruta, das heißt auf eine Co-Lektüre im traditionellen Format des in der Talmudschule üblichen, paarweise dialogischen Lernens (חַבְרוּתָא; aram.: Freundeskreis, Kommilitone). Die Handschrift der deutschsprachigen und teils hebräischen Kommentare stammt jedoch ausschließlich von Benyoëtz.

Abbildung 1Joachim Günther, Findlinge (Heidelberg: Schneider 1976), mit Annotationen von Elazar Benyoëtz. Ausgabe in der Autorenbibliothek, Franz Rosenzweig Minerva Research Center.

Wie grundlegend die Co-Lektüre mit Kraft war, wird in der Übernahme handschriftlicher Kommentare in Benyoëtz’ gedruckten Werk deutlich: Ein Jahr nach Krafts Tod im Juni 1991 widmete Benyoëtz ihm das „Herzstück“ seines neuen Buches Filigranit.117 Diese Aphorismensammlung enthält verschiedene, durch das Kürzel „WK“ gekennzeichnete Reaktionen Krafts über Aphorismenentwürfe, die ihm Benyoëtz bei einem Gespräch in Jerusalem präsentierte.118 In der Veröffentlichung von Krafts Reaktionen, datiert auf den 11. Oktober 1974, versucht Benyoëtz den Kommentarcharakter dieser ursprünglich handschriftlichen Anmerkungen beizubehalten:119

Alle Siege werden davongetragen

WK: !!!

Die Liebe erhebt den, der ihr verfallen ist

WK: sehr schön.

Die Co-Lektüre mit Kraft übte somit einen grundlegenden Einfluss auf Benyoëtz’ Entwicklung zum deutschsprachigen Aphoristiker aus und lässt sich von den Marginalien seiner Autorenbibliothek bis zur Veröffentlichung der eigenen, unter anderem von Kraft und von Günther inspirierten Aphorismen verfolgen.

Unklar ist jedoch die Frage, wieso Günthers Findlinge – von allen Büchern der Auswahlbibliothek – die größte Dichte an Anmerkungen aufweist. So gilt es, dessen Autor selbst in den Fokus der Betrachtung zu rücken: Der deutsche Journalist, Redakteur, Schriftsteller und Literaturkritiker Joachim Günther (1905–1990) war Mitbegründer sowie jahrzehntelang Herausgeber der renommierten Zeitschrift Neue Deutsche Hefte, in der er die Veröffentlichung aphoristischer Autor:innen förderte, darunter Benyoëtz. Dem Aphorismusforscher Friedemann Spicker zufolge war Günther eine „Schlüsselfigur”120 für die Etablierung aphoristischen Schreibens im westlichen Nachkriegsdeutschland. Er beschreibt Günther als „Lobbyist des Aphorismus“, dessen Schwierigkeiten verständlich werden im Kontext von Spickers Beobachtung über die im Aphorismus zum Ausdruck kommende unangepasste Geisteshaltung.121 Spicker zufolge stellte der Aphorismus eine Bedrohung für die Nazis dar, die aphoristische Formen aus ihren Publikationen tilgten, aus Angst vor dem individualistischen, unsystematischen sowie skeptischen, beziehungsweise unentschiedenen Denken, dass sie förderten.122 Aphorismen standen somit im diametralen Gegensatz zu den Slogans der Nazis, die konformes Handeln anstacheln wollten, nicht aber überlegtes Nachdenken förderten. Günthers Einsatz als Lobbyist, durch dem ihm eine Schlüsselrolle in der Wiedereinführung der deutschsprachigen Aphoristik nach 1945 zukam, kann daher als Bemühung interpretiert werden, die zur Überwindung ideologischer und anti-intellektueller Gedankenspuren nationalsozialistischer Indoktrination beitrug – sowohl auf kollektiver als auch auf persönlicher Ebene, wenn man Günthers kurzen Flirt mit der Nazipartei in den 1930er-Jahren bedenkt.123

Benyoëtz besuchte Günther im Jahre 1964,124 in jener Zeit also, in der er auf der Suche nach dem deutschsprachig-jüdischen Geist begann, sich dem Aphorismus zuzuwenden. Beide Aphoristiker fanden eine gemeinsame Gesprächsbasis in den biblischen Themen, ihrer jeweils jüdisch beziehungsweise christlich inspirierten aphoristischen Werke.125 Günther schenkte Benyoëtz ein Exemplar seiner Findlinge, mit der handschriftlichen, in Tinte gesetzten Widmung: „Dem Kollegen / in άφοςίζειν [aphorizein]“. Durch Verwendung der etymologischen Wurzel des griechischen „Aphorismus“ (ἀφορισμός), welche – wie der „Horizont“ – auf dem Verb für „unterscheiden/abgrenzen“ beruht, schafft Günther hierbei einen Kontrast zum „Kollegen“, von dem er sich zugleich abgrenzt. Seine Widmung schafft in ihrer knappen Wortwahl eine Dynamik von Anziehung und Abstoßung, in einem für den Aphorismus charakteristischen Wechselspiel zentripetaler und zentrifugaler Kräfte. Diese Ambivalenz spiegelt sich in Benyoëtz’ handschriftlichen Anmerkungen: Er bewertet fast jeden einzelnen der 700 auf 123 Seiten verteilten Aphorismen und zeugt damit von einer eingreifenden Auseinandersetzung mit Günthers Buch, die in Benyoëtz’ Auswahlbibliothek eine Ausnahmeerscheinung darstellt.

Entgegen den Erwartungen jedoch, die sich aus der Fallstudie zum Sefer Jezira ableiten ließen, deutet diese Fülle an Lesespuren nicht auf eine außergewöhnlich ergreifende Lektüre hin. Vielmehr berichtet Benyoëtz in seinen Erinnerungen von einer äußerst kompetitiven Co-Lektüre: „Zuerst las ich das Buch [Findlinge] ein wenig zu kritisch, Werner Kraft las es viel freundlicher […].“126 Die der urteilenden Lektüre zugrundeliegende Konkurrenzsituation würde Benyoëtz später in einem Brief an Spicker folgendermaßen erklären: „Werner Kraft hatte eine bessere Meinung darüber, aber ich habe ihn [Günther] gewichtiger genommen, da ich mich von ihm absetzen musste.“127 Benyoëtz wollte sich an einer der einflussreichsten aphoristischen Stimmen der deutschsprachigen Literatur seiner Zeit messen, um dadurch über sie hinauszuwachsen. Davon legt die Dichte der kritischen Anmerkungen Zeugnis ab, die in ähnlicher Intensivität nur noch in den Handexemplaren von Benyoëtz’ eigenen Aphorismensammlungen zu beobachten ist, wie im Folgenden beschrieben.

2.5 „Blühende Distanz“: Benyoëtz liest sich selbst

Den Kern der Auswahlbibliothek von Benyoëtz bildet sein aus knapp 70 Bänden bestehendes, überwiegend aphoristisches Werk, in denen vor allem die frühen hebräischen Veröffentlichungen zahlreiche Marginalien eigener Hand aufweisen. Einige dieser hebräischen Bände liegen in zwei oder drei Exemplaren vor, wobei jedes Exemplar von Benyoëtz unterschiedlich annotiert wurde.128 Ihr Studium ermöglicht Rückschlüsse auf eine kritische Selbstlektüre, in der sich der Prozess der Auswahl und Verdichtung, der sowohl der Auswahlbibliothek als auch den aphoristischen Texten zugrunde liegt, innerhalb seiner Schriften fortsetzt. Diese reflexive Dimension der Selbstlektüre blieb in der Erforschung von Autorenbibliotheken bisher unbeachtet. Zwar werden Übergänge vom Lesen zum Schreiben erforscht, doch wird dabei kaum die Umkehrrichtung vom Schreiben zum Lesen in Betracht gezogen, noch eine Unterscheidung zwischen dem Lesen fremder und eigener Werke gezogen. Gerade dieser Aspekt beschreibt aber ein Wesensmerkmal der Autorenbibliothek: das Schreiben infolge der Lektüre eigener Publikationen, zu denen infolge der Drucklegung eine größere Distanz aufgebaut werden konnte. Auf die Definition des Germanisten Dirke Werle bezugnehmend wäre eine Autorenbibliothek somit nicht nur als Privatbibliothek beispielsweise eines Autors zu verstehen, der nur andere „liest und schreibt“, sondern auch sich selbst.129

Werles Definition ermöglicht eine weitere Differenzierung, da er Buchsammlungen als kreatives Resultat der „sammelnden Tätigkeit von Individuen“ bezeichnet, als eigenständiges, genauer gesagt ordnendes Sekundärwerk, das das Œuvre des Primärwerks kontextualisiert.130 Im Falle Benyoëtz ist das aphoristische Werk somit als Teil seines Primärwerks zu bezeichnen; die von ihm kuratierte Auswahlbibliothek als ordnendes Sekundärwerk. Die aus der Lektüre des Primärwerks resultierenden Publikationen können folglich als Tertiärwerk bezeichnet werden. Die durch das Sekundärwerk vermittelte Beziehung zwischen Primär- und Tertiärwerk steht daher im Zentrum der folgenden Beobachtungen, die sich auf den 1981 erschienenen Band Vielleicht-Vielschwer konzentrieren. Er markiert – nach Worthaltung (1977) und Eingeholt (1979) – den dritten einer Reihe von Aphorismenbänden im Münchner Verlag Carl Hanser, durch die Benyoëtz bis dahin überwiegend in der deutschsprachigen Literaturwelt rezipiert wurde. In diesen Büchern, so schreibt er, sei er sich überdies seines Werks erst bewusst geworden. Sie basieren somit auf einer neuen Kompositionskonzeption, die der Selbstlektüre des vorab publizierten Primärwerks im Kontext des Sekundärwerks entstand: „Sie waren gestaltet, nicht gesammelt.“131

Zentral für das Kompositionsprinzip von Benyoëtz’ Tertiärwerk, wie es sich in diesen drei Büchern ausdrückt, ist die beginnende Bemühung um eine Gestaltung von Aphorismen in größeren, thematischen Einheiten, mit denen eine formale Abgrenzung von anderen Aphorismensammlungen geschaffen werden sollte. Hintergrund bildet die bei Hanser aufgrund geringer Verkaufszahlen eingestellte Herausgabe weiterer Aphorismenbände, die Benyoëtz dazu veranlasste, die Konzeption seines dort zuletzt erschienen Bandes zu überdenken. Spuren dieser Werksrevision finden sich in den ausführlichen Notizen, Anmerkungen und Ziffern des Handexemplars, dessen handschriftlicher Index die zur Weiterverarbeitung tauglichen Aphorismen thematisch verzeichnet.132 Solche aus der Sichtung der eigenen Publikation entstandenen Bleistiftanmerkungen sind in fast allen Handexemplaren seines frühen Primärwerks zu finden. Sie bilden die Grundlage für spätere Veröffentlichungen und schaffen durch die Wiederholung eine Kontinuität zum Tertiärwerk: Abkürzungen wie „TP“ (Treffpunkt Scheideweg, 1990), „FIL“ (Filigranit, 1992) und „Var“ (Variationen über ein verlorenes Thema, 1997) zeigen an, welchen vorab konzeptualisierten Sammlungen sie zugedacht waren.133

Dieser Auswahl und Verdichtung ging die Fragmentierung zuvor veröffentlichter Sammlungen voraus, aus denen einzelne Aphorismen isoliert wurden. Späteren Veröffentlichungen dienten sie dann als Pfeiler, um die herum neue Aphorismen komponiert wurden, wiederum unter Bezugnahme auf das Sekundärwerk. Aus dieser Dialektik zwischen Primär- und Sekundärwerk entstand schließlich der für Benyoëtz typische hybride Werkbegriff: In Treffpunkt Scheideweg (1990) werden erstmals die Aphorismen auf ihre Quellen im Sekundärwerk (nicht jedoch im Primärwerk) vermittels eines Anmerkungsapparates zurückgeführt. Dabei wird das Format reiner Aphorismensammlungen zugunsten einer Vermengung mit Kurzprosa und Briefauszügen aufgelöst. Diese Gestaltung des Tertiärwerks ist durchdacht, sein Kompositionsgedanke entstand aus der Selbstreflexion über das eigene, durch Annotationen und Sekundärwerk vermittelte Primärwerk, in Benyoëtz’ eigenen Worten: „Wort mich von Wort zu Wort führte, / Werk mich von Werk zu Werk führte.“134 Hinzugefügt werden kann, dass ihn das Buch von Buch zu Buch führte und jedes seiner Bücher im Dialog mit anderen Büchern entstand, als aphoristische Früchte eines literarischen Bücherblühens.

3 Epilog

Den hier beschriebenen literarischen Verwertungsprozess der bibliographischen Auswahl und aphoristischen Verdichtung verglich Benyoëtz mit dem Ausstreuen von Pflanzensamen. Diese diasporisch botanische Metapher für den aphoristischen Schreibprozess verweist auf den Topos des Gartens als Sinnbild für die Kultivierung menschlichen Geistes, zugleich auch auf eine materielle Abhängigkeit von der natürlichen Umwelt – auf die das geistige und ökologische Klima beschützende und dabei selber schutzbedürftige Atmosphäre. Bereits die Stoiker Cicero und Seneca waren – teils in ihren aphoristischen Schriften – davon überzeugt, dass die Pflege sorgfältig ausgewählter noetischer und moralischer „Samen“ die menschliche Weisheit zur „Blüte“ führen könnte.135 In diesem Kontext und dem seiner Lesespuren wird Benyoëtz somit auch als metaphorischer „Gärtner“ des deutsch-jüdischen Geistes erkennbar. Die eigenen aphoristischen Blüten „lesend“ sammelt er Samen zur Pflanzung in der nächsten Saison: „Bekämst Du das Buch heute auf den Weg, […] lass noch am Wegesrand aufgehende Samen stehen fürs nächste Buch“,136 empfiehlt Benyoëtz. Solch ein das „Lesen“ begleitende gedankliche Gehen am „Wegesrand“ des Textes ist zugleich eine treffende Metapher für die Marginalien, in denen Gedanken „gelesen“, also gesammelt, und zu neuen Samen verdichtet werden. In diesem Akt der Selbstlektüre findet zugleich eine Distanzierung vom Primärwerk statt, durch Schaffung eines Kommentarraums, der unter anderem an die Seitenränder und Apparate talmudischer Traktate erinnern mag.137 In diesem ‚Randwerk‘ wird eine gedankliche Distanz geschaffen, die eine kreative Freiheit ermöglicht, ein Raum, den der lesende und reflektierender Geist zum Gedeihen braucht. Denn, so Benyoëtz: „Weisheit heißt, / die blühende Distanz“.138

Die Distanz, in die Benyoëtz im Laufe der Entwicklung seiner aphoristischen Autorschaft zu sich selbst gegangen ist, unterscheidet ihn diametral von den meisten jüdischen Autor:innen deutschsprachiger Herkunft. Dichter wie Jehuda Amichai (Ludwig Pfeuffer) und Dan (Severin) Pagis, beispielsweise, ließen das Deutsche als literarische Sprache teils vollständig hinter sich und wandten sich fast ausschließlich dem Hebräischen zu. Tuvia (Tobias) Rübner schrieb zunächst auf Deutsch, dann ausschließlich auf Hebräisch; erst in seinen letzten Jahren schrieb er wieder auf Deutsch – ohne eine Sprache für die andere aufzugeben. Mit ihm und zahlreichen anderen jüdischen Dichter:innen, die mit und zwischen beiden Sprachen wirkten, stand und steht Benyoëtz in freundschaftlicher und kollegialer Verbindung. Beispielsweise hatte Rübner Benyoëtz die Aphorismensammlung Wintersaat von Ludwig Strauss geschenkt, der im Deutschen und Hebräischen schreibend beide Sprachen als gleiche Teile seines Herzens ansah. Dieser 1953, im Zürcher Manesse Verlag erschienene Band, mit dem Untertitel „Ein Buch aus Sätzen“, befindet sich unter den Büchern von Benyoëtz’ Auswahlbibliothek; es stellt einen weiteren der vielen potenziellen Ansatzpunkte für zukünftige Forschungen und Fallstudien dar. Ein vielversprechender Ansatz wäre dabei im Kontext literarischer Mehrsprachigkeit die Selbstübersetzung, die zwischen den hebräischen und deutschen Texten von Benyoëtz noch weitgehend unerforscht ist. Das Zusammenspiel beider Sprachen, ihrer Kulturen wie Geistesgeschichten ist grundlegend für die komparative Erforschung seiner Aphorismen und der verschiedenen Ursprünge im jeweiligen Kontext.

Anmerkungen

Die Recherchen zu diesem Artikel entstanden in enger Zusammenarbeit mit dem Franz Rosenzweig Minerva Forschungszentrum an der Hebräischen Universität, dem für die freundliche Kooperation gedankt sei: Benjamin Pollock, Naama Seri-Levi, Tammy Bashmashnikov und Ma’ayan Aharony. Der vorliegende Artikel verwendet Fallstudien einer veränderten englischen Version, die Joshua Shelly, Arndt Engelhardt und Shira Naveh gegengelesen haben. Insbesondere sei Elazar Benyoëtz für seine Bibliothek und die kontinuierlichen Gespräche gedankt, außerdem den sorgfältigen anonymen Gutachter:innen. – Anna Rosa Schlechter dankt dem David-Herzog-Fonds der steirischen Universitäten und dem BMWFW für die Förderung ihres Forschungsaufenthaltes 2021/22 in Jerusalem.

  1. Arendt, Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten, 36.

  2. Im traditionellen Judentum ist es üblich, den Kindern die Namen verstorbener Groß- oder Urgroßeltern zu geben. Alternativ kann der Name/Aphorismus auch übersetzt werden mit: „Elazar, der Sohn des Yoëtz“. Benyoëtz schreibt über die Herkunft seines hebräischen Namens: „Das war Wiener Neustadt, ein Rest, den ich nicht aufgeben wollte, doch immerhin: ein Großvater mit Namen Elasar und eigenem Bethaus; ein Vater, der Gottlieb hieß und den hebräisch raren Namen Yoëtz (Ratgeber) trug.“ Benyoëtz, Entwirt, 141.

  3. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 5.

  4. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 4.

  5. Privatarchiv Elazar Benyoëtz (2.7.1957).

  6. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 5.

  7. Grubitz, „Benyoëtz, Elazar“, 58.

  8. In der Kontroverse um die Idee einer deutsch-jüdischen Symbiose stellte sich Benyoëtz gegen die Polemik Scholems, als er 1961 von der „Symbiose zwischen jüdischem und deutschem Geist“ sprach. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 13.

  9. Etwa in Benyoëtz, Brüderlichkeit, 29. Vgl. Kühne, „Dan Pagis’ Bilingual Poem ‚Ein Leben‘“.

  10. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 6.

  11. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 11.

  12. Benyoëtz, Aberwenndig, 94.

  13. „…während ich auf den Spuren meiner Väter wandelte, bin ich wie sie, bin einer von ihnen geworden. Sie brauchten meinen Abgrund, um ihre Blüten weiter treiben zu können.“ Benyoëtz, Aberwenndig, 94.

  14. Israel Cohen schrieb 1964 an Benyoëtz: „mein Glückwunsch zu deinem neuen Gedichtband. Ich werde mich bemühen, einen Rezensenten zu finden; leicht wird es nicht sein. Dein Aufenthalt in Deutschland hat Dich in Verruf gebracht, ein hiesiger Schriftsteller wäre darum kaum in der Lage, sich Deiner vorurteilslos anzunehmen.“ Zit. aus Benyoëtz Aberwenndig, 94.

  15. Vgl. Benyoëtz, Vielzeitig, 52.

  16. Benyoëtz, Aberwenndig, 98.

  17. Die Aphorismen wurden teilweise von Paul Engelmann ins Deutsche übersetzt und im Deutschen von Renate Heuer zusammen mit dem Autor überarbeitet. Vgl. Benyoëtz, Aberwenndig, 57; Olivenbäume, 71.

  18. Die Berliner Zeitung „Der Abend” berichtete folgendermaßen über sein Unterfangen: „Ein junger, ernster Mann aus Tel Aviv klopft seit Wochen an deutsche Türen. Er bemüht sich, deutschen Instituten, deutschen Behörden, deutschen Forschern einen Plan zu suggerieren, auf den man hier längst von selbst hätte kommen müssen: Elazar Benyoëtz versucht mit allen Kräften, die einem Privatmann zu Gebote stehen, die Initialzündung zu einer umfassenden Bibliographie aller von jüdischen Bürgern in deutscher Sprache verfassten Werke zu geben.“ Zit. aus Benyoëtz, Aberwenndig, 402.

  19. Heuer, Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Vgl. auch Schlootz, „Erinnerungen an Renate Heuer“.

  20. Zu dem zum Zwecke der Veröffentlichung des Lexikons gegründeten Verein Archiv Bibliographia Judaica e.V. und dessen digitalisierten Bestand, siehe Burdorf, „Archiv Bibliographia Judaica” und die Online-Datenbank verfügbar unter https://www.degruyter.com/database/abj/html.

  21. Diese Anerkennung koinzidiert gleichzeitig mit einer neuer Werkform, in welcher Benyoëtz zu seinen Aphorismen Zitate, Tagebucheinträge, Briefe und Epigramme stellt, welche mit Treffpunkt Scheideweg seinen Anfang nimmt – siehe dazu weiter unter 2.5.

  22. Vgl. Kühne, „Deutschsprachige jüdische Literatur“, 220.

  23. Vgl. die Beiträge in Bongardt, Zugrunde gegangen.

  24. Vgl. (nicht erschöpfend): Spicker, Der deutsche Aphorismus, 786-808; Spicker, Wer hat zu entscheiden. Paradigmatisch und nach wie vor unverzichtbar für jegliche Forschung über Benyoëtz ist Grubitz’ exzellente Monographie Der israelische Aphoristiker. Siehe auch Fricke, „Lyrische Aphoristik“, Wittbrodt, „‚Hebräisch‘ im Deutschen“.

  25. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“.

  26. Vgl. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 21.

  27. Wittbrodt, „Hebräisch im Deutschen“, 586. Ausnahmen im Englischen sind der Essay von Mieder „Elazar Benyoëtz“, die Buch-Rezensionen von Rosenfeld, „Vielleicht-Vielschwer“, „Treffpunkt Scheideweg“ und „Filigranit“, sowie der eben erschienene Beitrag von Pisano in dieser Sonderausgabe, „Wohnwort”.

  28. Hasan-Rokem, „Toward the Study of the Jewish Proverb“.

  29. Vgl. Benyoëtz, משפטים [Sententias]. Bezüglich Forschung zu seiner hebräischsprachigen Literatur vgl. Heuer, „Auf dem Weg nach Jerusalem“ und Heuer, „Hebräische Poesie“.

  30. Benyoëtz, Aberwenndig, 98.

  31. https://www.onb.ac.at/bibliothek/sammlungen/literatur/bestaende/personen/benyoetz-elazar-geb-1937.

  32. Siehe vor allem den Standard Profile-Band, welchen das Literaturarchiv bei jedem Erwerb eines Vor- oder Nachlasses herausgibt: Fetz, Hansel und Langer, Korrespondenzen.

  33. Vgl. Helmich, „Wahrheitsarbeit“; Strigl, „Ich war Kraus-geweiht“; Schlechter, „Elazar Benyoëtz zwischen Midrasch“.

  34. Benyoëtz, Gedicht zur Schenkung seiner Autorenbibliothek an das Rosenzweig Minerva Research Center an der Hebräischen Universität in Jerusalem, in: Mail an Jan Kühne (3.7.2021).

  35. Werle, „Autorschaft“, 26.

  36. „In Widmungsexemplaren, Büchergeschenken und Sonderdrucken manifestieren sich soziale Netze und literarische Allianzen.“ Jaspers und Kilcher, Randkulturen, 241.

  37. „…eine lesbare ‚Physiognomie von Bibliotheken‘ [soll weder] gänzlich in Abrede gestellt noch diese als absolut erklärt werden.“ Wieland, „Stell-Werk“, 28.

  38. Zur Unterscheidung zwischen diesen beiden Ansätzen siehe Jaspers und Kilcher, Randkulturen, 9.

  39. van Hulle, Modern Manuscripts, 5.

  40. Vgl. Jaspers und Kilcher, Randkulturen, 21.

  41. Vgl. Zimmermann und Hotam, Zweimal Heimat; Kilcher und Edelmann-Ohler, Deutsche Sprachkultur in Palästina/Israel; Schirrmeister, Begegnung auf fremder Erde.

  42. Benyoëtz war beispielsweise Nachlassverwalter von Yakov Kahan (Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 6) und Paul Engelmann.

  43. Zur „Entsorgung“ des Moadim-Archivs, dem einzigen deutschen Bühnenverlag Israels, siehe Lewy, Zwischen allen Bühnen. Die Jeckes und das hebräische Theater 1933-1948, 317. Siehe auch Jessen, Kanon im Exil; Gallas et al., Contested Heritage. Siehe auch Balint, Kafka’s Last Trial; Barouch, „The Return to the Archive“.

  44. Jaspers und Kilcher, Randkulturen, 13.

  45. Werle, „Autorschaft“, 31.

  46. Werle, „Autorschaft“, 31.

  47. Benyoëtz, Aberwenndig, 32. Vgl. die Titel der jeweils aus Anfangsworten bestehenden fünf Bücher der Thora: Bereshit („Im Anfang“), Shemot („Namen“), etc. (und nicht aus deskriptiven Sätzen, wie etwa „Die Erschaffung der Welt“, o.ä.).

  48. Ebd.; vgl. Dausner, „Jenseits des Ironischen“.

  49. Tropper, „Avot“, 746–47.

  50. Vgl. Hilzinge et al., Kleine literarische Formen, besonders 27–54.

  51. Hui, A Theory of the Aphorism.

  52. Grant, The Aphorism, 6 und 75.

  53. Vgl. Neusner und Chilton, The Golden Rule.

  54. Die Rabbiner wurden aufgefordert, die Thora „auf einem Fuß stehend“ zusammenzufassen, was auch als „Fuß“ der Prosodie gelesen werden kann. Babylonischer Talmud, Shabbat 31a.

  55. Vgl. Giorgio Agambens Bemerkung „The slogan […] is the proverb of humankind to whom experience is lost“. Zit. in Grant, The Aphorism, 128.

  56. Benyoëtz, Aberwenndig, 32.

  57. Vgl. Spicker, Wer hat zu entscheiden.

  58. Ben-Sasson, YHWH: Its Meanings in Biblical, Rabbinic and Medieval Jewish Thought. Vgl. Benjamins Vorstellung einer aus allen Sprachen hervorgehenden Sprache in Die Aufgabe des Übersetzers.

  59. Derrida, „Aphorism Countertime“, 127.

  60. Zur Spannung zwischen Fragment und Aphorismus siehe Grant, The Aphorism, 114–115.

  61. Auerbach, „Philology and Weltliteratur“, 15.

  62. Grant, The Aphorism, 40.

  63. Grant, The Aphorism, 40.

  64. Lasker-Schüler, Die gesammelten Gedichte.

  65. Die originale Bleistiftbeschriftung lautet: „Das wichtigste, mir teuerste Buch meiner Jugend. / E. B. / 9.5.2021 / Mein Abschied davon ist wie der auf dem Einband gemalte“.

  66. Etwa שיר של אהבה [„Liebeslied“], Davar (22.1.1965); צער עולם [„Weltschmerz“], Hazopheh (29.1.1965).

  67. Laut der „Autobiographische Mitteilungen“, 19, sollte diese für die hebräischsprachige Leserschaft übersetzte Texte bedeutender deutsch-jüdischer Schriftsteller:innen enthalten, darunter Gedichte von Margarete Susman, Gertrud Kolmar und Nelly Sachs, Karl Wolfskehl, Albert Mombert und weitere.

  68. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 8–9.

  69. Gallas et al., Contested Heritage.

  70. Kühne, „Deutschsprachige jüdische Literatur in Palästina/Israel”.

  71. Dieses bio-biographische Scannen ist charakteristisch für Benyoëtz’ Lesespuren, der in späteren Lektüren die von ihm hervorgehobenen Namen in einem Namens- und Werkverzeichnis sammelte, das er in den Innendeckeln notierte, je nach hebräisch oder deutscher Leserichtung.

  72. Benyoëtz verwies auf Varianten in den Versionen der Anthologie expressionistischer Lyrik, herausgegeben von Kayser, Verkündigung. Die kritische Ausgabe von Lasker-Schülers Werken erfolgte 2010 in Zusammenarbeit mit dem Rosenzweig Center.

  73. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 10.

  74. „Obwohl der Plan, die Arbeit des Archivs durch ein Lexikon zu krönen, von Anfang an bestanden hatte und schon von Rabbiner Elazar Benyoetz seit Ende der sechziger Jahre verfolgt worden war, waren viele Hürden zu überwinden, bis 1992 der erste Band der Öffentlichkeit vorgelegt werden konnte.“ Heuer, Nachträge, VIII. Zeitungsartikel in der Auswahlbibliothek verdeutlichen dies weiter, so etwa in Israel Nachrichten, 12.12.1986: „Von Anfang an hatte das Projekt mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen, vor allem die Finanzierung der Forschungsarbeiten war ständig gefährdet und konnte meist nur durch private Eigenleistungen der Archiv-Gründerin Heuer gesichert werden. Zwar wurde das Unternehmen jahrelang von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, doch deckten diese Zuschüsse die Ausgaben nicht. Einen erheblichen Teil der Kosten für den Aufbau hat Renate Heuer aus eigener Tasche beigesteuert.“ Siehe außerdem die Dokumente-Sektion von Bongardt, Zugrunde gegangen, 223–237.

  75. Schlootz, „Erinnerungen an Renate Heuer“.

  76. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 3–4 und 10. Vgl. Spicker, Beziehungsweisen, 98–99.

  77. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 10.

  78. Vgl. das Gedicht über Joseph in Benyoëtz, Olivenbäume, 334.

  79. Kühne, „A German-Hebrew French Kiss“, 67.

  80. Die Auswahl sollte von einem Aufsatz begleitet werden, über den annähernd zwei Essays von Benyoëtz eine Vorstellung vermitteln können: Benyoëtz, אלזה לסקר־שילר [Else Lasker-Schüler], 8. Benyoëtz, „Die Liebe ist eine chinesische Mauer“.

  81. Lasker-Schüler, אהבה [Liebe], 9.

  82. Heuer, „Auf dem Weg“, 59.

  83. Im Weiteren wird noch zu sehen sein, wie sich dieses Verhältnis auch zwischen dem Aphorismus und seiner Sammlung abbildet.

  84. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 11.

  85. Benyoëtz, Aberwenndig, 103–4.

  86. https://www.nli.org.il/en/items/NNL_ALEPH002488716/NLI.

  87. Kohn, „Creating a National Bibliographic Past“, 27–40. An dem Projekt sind die Hebräische Universität Jerusalem, die Nationalbibliothek Israels, das Bildungsministerium Israels, das Bialik-Institut und andere beteiligt.

  88. Im Abschnitt über die Vorgeschichte des Projekts beispielsweise Moritz Steinschneider, vgl. Engelhardt, „Kulturelle Zugehörigkeit und biologistischer Ausschluss“.

  89. Ben-Menahem, Specimen brochure, 6, 46–47.

  90. Vgl. z. B. Gallas et al., Contested Heritage.

  91. Kayser, Max Brod, 17.

  92. Etwa Dan, Liebes und Ram, „Library of Gershom Scholem“.

  93. Vgl. Grubitz, Hoheisel und Wölpert, Keine Worte zu verlieren, 132–3.

  94. Zusammen mit Zeitungsausschnitten über Bergmann. Auch dies ist charakteristisch für die Bibliothek von Benyoëtz: die Bücher dienen ihm oft als Sammelort für Materialien zu Autor, Werk und Thema.

  95. „Zwischen dem Slogan (eng. Schlagwort) und dem Sprichwort gibt es enge Berührungspunkte, denn bei beiden handelt es sich um formelhafte Ausdrücke, die häufig verwendet werden. Der Slogan an sich ist eine kurze, oft wiederholte Aussage mit einer bestimmten Richtung. Er weist oft Stilmerkmale des Sprichworts wie Alliteration, Reim, Rhythmus, etc. auf, und nicht selten liegt ihm ein Sprichwort zugrunde, das dem Werbeinteresse entsprechend abgeändert worden ist.“ Röhrich und Mieder, Sprichwort, 5.

  96. Bergmann stand Aphorismen im Allgemeinen und den von Benyoëtz im Besonderen kritisch gegenüber. Besonders der Aphorismus „Wo Klarheit herrscht, gibt es keine Tiefe“ rief seine Kritik hervor: „Dies ist der absolute Gegensatz zu dem, was ich empfinde und von jedem Schriftsteller fordern würde. Was ein Mensch denkt, muß er klar zum Ausdruck bringen können, anders übt er Verrat an der ersten Pflicht der Rede – kommunikativ zu sein. Wenn mir etwas verhaßt ist, so ist es das sich in Dunkelheit hüllende ‚Geistreiche‘. Ich darf annehmen, daß Du mir wegen meiner Offenheit nicht zürnen wirst.“ Aus dem Hebräischen von Benyoëtz und zitiert aus Grubitz, Der israelische Aphoristiker, 204–5.

  97. Elazar Benyoëtz an Jan Kühne, Mail vom 1.12. 2021.

  98. Elazar Benyoëtz an Jan Kühne, Mail vom 1.12. 2021.

  99. Vgl. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 4.

  100. Handschriftliche Spuren und ein Stempel im vorderen Innendeckel dieses Exemplars deuten darauf hin, dass das Werk früher im Besitz der „Bibliothek von Arie und Rivka Smitezki, 1945, nr. 137“ war.

  101. Akronym von Rabbi Abraham ben David Ab (1125–1198), einem Provençal Rabbiner und bekannten Kommentator, gilt als einer der Begründer der mittelalterlichen jüdischen Mystik, dem die Erfindung des Baums der Sefiroth zugeschrieben wird – ein auf dem Sefer Jezira basierendes Diagramm.

  102. Vgl. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 5–6.

  103. Liebes, Ars Poetica in Sefer Yetsira.

  104. Weiss, Sefer Yeṣirah, 5.

  105. Weiss, Sefer Yeṣirah, 8.

  106. Vgl. etwa Grant, The Aphorism.

  107. Zitiert in Abrams, „Kabbalistic Aphorisms“, 121—22. Vgl. Biale, „Gershom Scholem’s Ten Unhistorical Aphorisms on Kabbalah“. Interessanterweise schrieb Scholem seine zehn Aphorismen über die Kabbala auf Deutsch und nicht auf Hebräisch, was möglicherweise auf eine vorherrschende deutsche literarische Tradition von Aphorismen hinweist, die in der hebräischen und englischen Literatur nicht vorhanden ist.

  108. Benyoëtz etwa in einem Brief an Monika Fey vom 18.9.2008: „mir ist es nur darum zu tun, auf zwei Bücher hinzuweisen, die mich nach Deutschland begleitet und dort beschäftigt haben: Sefer Jezirah mit den traditionell beigedruckten Kommentaren, welche das Buch mehr beschützen als erklären. Der große, gewaltige, vielleicht auch erschütternde Text besteht aus nur wenigen Blättern und würde, für sich gedruckt, ein dünnes Heft ergeben. Erst mit den Kommentaren bekommt es das Ansehen eines Buches. Dieses Ansehen eines Buches hörte nicht auf, mich von da an zu beschäftigen. Ich will darum auf alles andere hier nicht weiter, auch nicht kommentierend eingehen, nur mit dem Hinweis schließen, dass mein Handexemplar des Sefer Jezirah sich als grundlegend für die Erschließung meines Sprachdenkens erweisen könnte. Dazu gehörte mindestens ein Brief an Hugo Bergmann, der in seinem Nachlass zu finden wäre.“ Benyoëtz, Vielzeitig, 316, siehe dort auch 183.

  109. Nach eigenen Angaben hatte Benyoëtz die Kabbala bereits studiert, als er als Teenager den Talmud an einer Jeschiwa lernte. Traditionell ist das Studium der Kabbala jedoch auf Männer über 40 Jahre beschränkt. Vgl. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 1.

  110. Sefer Jezira, 34. Der Unterstrich erscheint neben einem Diagramm des kleinsten hebräischen Buchstabens (Jud), der von zehn konzentrischen Kreisen umgeben ist. Im Sefer Jezira wird das Jud als der wesentliche Buchstabe und das Rohmaterial – der Golem im wortwörtlichen Sinne – angesehen, aus dem alle anderen hebräischen Buchstaben gebildet werden. Es wird angenommen, dass aus diesem Buchstaben und auf ihn hin göttliche Emanation fließt. Vgl. die Aphorismen (markieren die Absenz der Punkte): „Auch Unendlichkeit / wird auf den Punkt gebracht“; „Der Aphorismus wiegt immer soviel wie der Punkt, / auf den er zustrebt“. Benyoëtz, Die Zukunft, 140 und 108.

  111. Benyoëtz, Die Zukunft, 18. Diese Absicht, sich auf das Wesentliche und nicht auf das Vergängliche zu konzentrieren, zeigt sich auch in Sentenzen [משפטים], Benyoëtz’ erste und einzige in hebräischer Sprache veröffentlichte Aphorismensammlung, das mit einem Zitat aus Psalm 119,37 eingeleitet wird („Wende meine Augen ab, dass sie nicht sehen nach unnützer Lektüre …“ [העבר עיניי מראות שוא]).

  112. Benyoëtz, Die Zukunft, 63.

  113. Benyoëtz, Das Feuer, 84.

  114. Benyoëtz, „Autobiographische Mitteilungen“, 4.

  115. Günther, Findlinge.

  116. Günther, Findlinge, 65: „Im Sterben: Mir geschieht etwas Allgemeines, das ich doch nicht kennengelernt habe“. Benyoëtz klammert Sterben ein und vermerkt handschriftlich darunter: „Kraft: Wenn ich lebe, lebe ich; wenn ich sterbe, sterbe ich.“ (Hervorhebung im Original.)

  117. „Das Herzstück des Bandes Filigranit stellt der dem Andenken an Werner Kraft gewidmete Abschnitt Satzspiegel dar, der […] die Komplexität der Beziehung zwischen Wort, Satz und Sprache ausleuchtet.“ Armin Wallas, zitiert in Benyoëtz, Olivenbäume, 203.

  118. Wiederabgedruckt in Benyoëtz, Nadelind.

  119. Benyoëtz, Filigranit, 82–83. Vgl. Benyoëtz, Olivenbäume, 77.

  120. Spicker, „Joachim Günther“, 548.

  121. Spicker, „Joachim Günther“, 548.

  122. Spicker, „Joachim Günther“, 548.

  123. Vgl. Günther, War ich ein Nazi?

  124. Vgl. dazu auch den nachfolgenden Brief von Benyoetz an Günther vom 9.10.1964 über die Bibliographia Judaica, in Bongardt, Zugrunde gegangen, 231.

  125. 1965 publizierte Benyoëtz erstmals in den Neuen Deutschen Heften „Die Liebe ist eine chinesische Mauer. Erinnerungen an Else Lasker-Schüler“, in Neue Deutsche Hefte 104 (1965), 58–65. Günther rezensierte eines von Benyoëtz’ Werken in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit (6.4.1979), das wiederabgedruckt wurde unter dem Pseudonym Johann Siering in Neue deutsche Hefte 26:3 (1979), 600–603.

  126. Spicker in einem Brief an Benyoëtz vom 11.9.2001. Zit. aus Benyoëtz, Die Rede geht, 89.

  127. Benyoëtz, Vielzeitig, 234.

  128. Viele dieser hebräischen Werke waren rasch nach der Herausgabe vergriffen, wie sein Erstling Zwiegespräch mit mir selbst.

  129. Werle, „Autorschaft“, 31.

  130. Werle, „Autorschaft“, 30.

  131. Benyoëtz, Olivenbäume, 383.

  132. Ein ähnliches Schema lässt sich in den Handexemplaren der hebräischen Publikationen beobachten. Ein weiterer Ansatzpunkt wäre zu suchen in der reziproken Präsenz des Deutschen im Hebräischen und des Hebräischen im Deutschen im Werk von Benyoëtz.

  133. Z. B. zwei Aphorismen (Vielleicht-Vielschwer, 11) tauchen wieder auf in Benyoëtz, Filigranit, 59: „Kürze bürgt dafür. Daß der Gedanke sich nicht ausrede“, und: „Ein guter Aphorismus ist von erschöpfender, ein schlechter von ermüdender Kürze.“

  134. Benyoëtz, Treffpunkt Scheideweg, 163.

  135. Vgl. Hui, A Theory of the Aphorism, 93.

  136. Benyoëtz, Lebtag und Leseabend, 109. Vgl. „Warum kann unter den Heutigen niemand mehr so scharfzüngig entlarven, dem verkehrten Denken so klar auf den Grund sehen wie Karl Kraus? Es musste wohl einer von außen kommen, einer wie der deutsch-schreibende Israeli Elazar Benyoëtz, um den Aphorismus neu in die deutsche Literatur einzupflanzen, als ein zartes Gewächs, doch winterhart geworden in kalten Zeiten. So haben wir nun wieder einen sprachmächtigen Aphoristiker deutscher Zunge.“ Harald Weinrich, Vorwort zu Grubitz, Der israelische Aphoristiker, IX.

  137. Vgl. die von Dausner und Bongardt herausgegebene Publikation Zum Einsatz kommen, die ein Werk Benyoëtz’ mit Kommentaren an den Seitenrändern versehen wieder abdruckte.

  138. Benyoëtz, Die Zukunft sitzt, 105.

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