Autobiographische Mitteilungen (ca. 1961)

Elazar Benyoëtz 
Anna Rosa Schlechter  (Hg.)
Universität Wien
anna.rosa.schlechter@univie.ac.at
Jan Kühne  (Hg.)
Hebrew University of Jerusalem
jan.kuehne@mail.huji.ac.il

Editorisches Vorwort

Die „Autobiographischen Mitteilungen“ von Elazar Benyoëtz erlauben erstmals einen Einblick in seine bislang unbekannt gebliebene frühe, hebräische Schaffensphase. Diese Phase endete mit seinem Aufbruch aus Israel, um über Wien gegen Ende 1962 nach Westdeutschland zu reisen. Im Rahmen eines Forschungsaufenthalts initiierte er in Frankfurt am Main zusammen mit Renate Heuer das Archiv Bibliographia Judaica und verwandelte sich nicht zuletzt dank ihrer Unterstützung von einem hebräischen Dichter in einen deutschsprachigen Aphoristiker.1 In den „Autobiographischen Mitteilungen“ zeichnen sich diese Entwicklungen bereits ab; sie erlauben Einblicke in die israelische Vorgeschichte des Archivs Bibliographia Judaica und die hebräischen Anfänge seiner aphoristisch wie mikro-essayistisch geprägten, deutschsprachigen Autorschaft.2

Benyoëtz schrieb seine „autobiographische Skizze“, wie er diesen Text über den eigenen Werdegang auch nannte, ursprünglich auf Hebräisch und noch vor seiner Abreise aus Israel.3 Der israelische Dichter Jacob Mittelmann übersetzte sie ins Deutsche und half Benyoëtz, mit dieser Selbstdarstellung und deren Vermittlung erste Kontakte für seinen Forschungsaufenthalt, aber auch seinen späteren literarischen Werdegang im Deutschen zu knüpfen.4 Dieser Text war aber zunächst nicht für ein breiteres, Deutsch lesendes Publikum bestimmt gewesen, sondern für die Poetin, Essayistin und Religionsphilosophin Margarete Susman (1872 Hamburg – 1966 Zürich). Ihr wollte sich der junge Benyoëtz als aufstrebender Dichter und Literaturwissenschaftler präsentieren.5 Aus dieser frühen Schaffensphase, wie auch aus dem Umstand der Übersetzung, erklärt sich der für Benyoëtz untypische Ton des Texts, dessen Duktus noch frei ist von jener Couleur, die seinen Stil später prägen würde.6

Als historisches Dokument gelesen erlaubt diese autobiographische Skizze nicht nur der Benyoëtz-Forschung neue Einblicke. Sie erschließt auch neue Beziehungen und Kontexte, beispielsweise in der deutschsprachig-jüdischen Literatur in Palästina und Israel, teils indirekt und durch Verweis auf die in seiner Autorenbibliothek versammelten Bücher und Dokumente.7 Sie wirft unter anderem Licht auf bedeutende Persönlichkeiten, mit denen er in Beziehung stand. Martin Buber beispielsweise ist, ähnlich Hugo Bergmann, im Hintergrund als wegweisender Mentor und geistiges Vorbild von Benyoëtz zu erkennen. Beide unterstützten mit ihren persönlichen Empfehlungen seine Reise nach (West-)Deutschland, dessen Betreten im Israel jener Jahre noch als eines der größten Tabus galt. Zugleich wird darin der Geist einer Zeitepoche deutlich, in der sich Israel langsam diplomatisch zu öffnen begann und Westdeutschland erste Ansätze zu einer beginnenden öffentlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit erkennen ließ. Benyoëtz’ „Skizze“ steht somit auch für einen Aufbruch zu einer Reise, die als äußerst schwierig galt und welche rückblickend die deutschsprachig-jüdische Literatur samt ihrer Forschung bis auf den heutigen Tag mitprägt.

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Der vorliegende Abdruck des Typoskripts hat die wenigen offensichtlichen Fehler der Übersetzung korrigiert sowie Rechtschreibung und variierende Punktation der heutigen Schreibweise angepasst. Zugrunde lag der Gedanke, dass die Übersetzung, als vermittelndes Medium, bei einem Abdruck ebenfalls korrekturgelesen worden wäre. Der hebräische Originaltext wurde bislang noch nicht gefunden.

Die Kommentare im Fußnotenapparat sollen eine aufschlussreiche Lektüre ermöglichen, im Kontext von Benyoëtz’ bislang weitestgehend unbekanntem poetischem und bibliographischem Schaffen in Israel und im Kontext der hebräischen Literatur. Es ist die Hoffnung der Herausgeberin und des Herausgebers, dass diese Anmerkungen auch als Ausgangspunkt zukünftiger Forschungen dienen.8 Elazar Benyoëtz und dem Literaturarchiv Wien sei für die freundliche Abdruckgenehmigung gedankt.

Anna Rosa Schlechter und Jan Kühne

Text9

Nun noch die hauptsächlichsten biographischen Angaben und zwar keine Daten, sondern wichtige Stationen, die für die geistige Formung von Wichtigkeit sind. Diese Angaben sind für eine gehaltvolle Darstellung wichtiger als bloße Daten. Trotzdem muss ich aber doch mit einigen Daten beginnen, die unumgänglich sind:

Ich wurde am 24.3.1937 in Wiener/Neustadt, Österreich geboren. Ende 1939 wanderte ich mit meinen Eltern in Palästina ein, und zwar als illegaler Einwanderer. Im Alter von sechs Jahren starb mein Vater (als ich sechs Jahre alt war), eine in seelischer Hinsicht wichtige Tatsache. Indirekt hat mich dieses Ereignis entscheidend beeinflusst, nämlich durch das Gefühl des Verwaistseins, das im Laufe der Jahre kosmischen Umfang in meiner Dichtung angenommen hat. Jedoch direkt war es die Abhängigkeit vom Vater und seiner Erinnerung, die noch bis zu meinem ersten Gedichtbande erkenntlich ist, den ich unter dem Namen „Zwiegespräch mit mir selbst“ im Jahre 1957 veröffentlicht habe. Später habe ich dies gänzlich überwunden. Die Gedichte meines ersten Buches sind solche, die ich von meinem 16. Lebensjahr an verfasst habe; die letzten darin stammen aus meinem 19. Lebensjahr. Das Buch erschien, als ich 20 Jahre alt war, während meines Militärdienstes in der Israel-Armee.

Als ich sechs Jahre alt war, traf ich Else Lasker-Schüler. Über diese Begegnung – deren künstlerische Wichtigkeit für mich mir bis vor zwei Jahren noch unbewusst war, – schrieb ich in einem Gespräch, das ich über sie am 15. Todestag der Dichterin veröffentlicht habe. Aus diesem Aufsatz zitiere ich unten.10

Die Anfangsgründe meiner Schulbindung11 erwarb ich in der religiösen Volksschule auf den Namen „Bilu“ Tel Aviv,12 wo ich die ersten sechs Schuljahre absolvierte. Die siebente und achte Volksschulklasse besuchte ich im Internat in Kfar Ata. Danach ging ich zur Jeschiwah Kfar Haroe, einer Talmud-Lehranstalt. Dort lernte ich drei Jahre, und gleichzeitig beendete ich den Lehrgang eines Abendgymnasiums, was in dieser Jeschiwah Vorschrift ist.

Gedichte begann ich schon in der vierten Volksschulklasse zu verfassen, jedoch wurde mein erstes Gedicht veröffentlicht, als ich 15 Jahre alt war, und zwar in der religiösen Wochenschrift „Chason“ (Vision). Auf der Jeschiwah schrieb ich intensiv, obschon ich meine ganze Energie dem Talmudstudium und in den Nächten dem Studium der Kabbala widmete. Während dieser Zeit sammelte ich um mich einen kleinen Kreis von Schülern, die ich moralische Schriften lehrte – und zwar vor allem das Buch „Messilath Jescharim“ von R.M. Luzzato.13 Und wirklich war Luzzato, der Dichter-Kabbalist, mein erstes Zusammentreffen mit der hebräischen Literatur und mit der Literatur überhaupt. Erst viel später kam ich zur wirklichen Literatur. Diese Tatsache erklärt meine innere – langsame – Entwicklung auf die Moderne. Tatsächlich war es mein Religionsstudium, das mir die Unterscheidung zwischen Ethik und Ästhetik erschwerte – vom Gesichtspunkt meiner künstlerischen Anschauung.

Mein Eintreten in die hebräische Literatur geschah auf interessante Art. Der Raw, von dem ich meine ersten Kenntnisse in der Jeschiwah erwarb, sah, dass ich mit dem Schreiben von Gedichten „Zeit vertrödele“. Da er um mein Schicksal besorgt war, sagte er sich: „Wenn diese Dinge Wert besitzen, würde es sich doch vielleicht lohnen, ihn auf seinem Wege zu fördern, wenn aber nicht – so soll man ihn besser davor warnen, seine Zeit nutzlos zu vergeuden.“ Was tat er? Er nahm ein Bündel meiner Gedichte und fuhr nach Tel Aviv zu dem berühmten Dichter David Schimonowitz (hebr. David Schimoni)14 und erzählte ihm von diesem Jüngling, der seine Zeit mit dem Schreiben von Gedichten verbringt, und bat ihn um sein Gutachten. Schimoni las einige Male und kam zu dem Schluß, dass „dieser Jüngling“ Talent besitzt, und man habe die Pflicht, ihn zu fördern. Und vor allem müsse er viel Gedichte lesen. Der Raw kam zurück und brachte mir diese Nachricht. Von da ab pflegten mir die Rabbanim in höchsteigener Person ganz unreligiöse Gedichte verschiedener Dichter zu liefern. So kam ich zur hebräischen Literatur mit Genehmigung von Schimoni und so kam ich ihm auch näher. Im Laufe der Zeit entstanden zwischen uns enge Freundschaftsbeziehungen, die bis zu seinem Tode dauerten. Jedoch mit seinem Tode ging mir ein wichtiger Freund und Lehrer verloren – sowie auch das Vorwort zu meinem ersten Gedichtband, das Schimoni schreiben wollte – etwas was er niemals zu tun gepflegt hatte. Das war mein erster Lehrer und Freund.

„Die Generation des Bialik“ war für mich ein ungeheures Erlebnis von gewaltiger seelischer Bedeutung. Das wurde mir in der Jeschiwah klar. Darum war ich seelisch gebunden an die Menschen dieser Generation, welche uns eigentlich den Begriff der Literatur im westlichen, weiten Sinne vermacht hat. Es war nur natürlich, dass ich meine Freunde unter den verbliebenen Mitgliedern jener Generation suchte – Salman Schneur15 und Jakov Kahan.16 Und wirklich hatte ich das Glück, dass beide meine Freunde und Förderer auf meinem literarischen Weg wurden.

An Schneur, der ein schwieriger und im allgemeinen unfreundlicher Mensch war, war die Annäherung schwer. Aber wunderbarerweise liebte er mich gleich und förderte mich mit ganzem Herzen. Das Kapitel unserer Freundschaft wurde zum Gesprächsthema, und etwas habe ich auch darüber geschrieben. Eine kurze Zeitlang war ich auch sein literarischer Sekretär bis er starb. Der Letzte war Jakob Kahan, der mich – wie Sie wissen – zum Verwalter seines literarischen Nachlasses ernannt hat. In Bezug auf Kahan gibt es noch viele Geheimnisse, die zu offenbaren die Zeit noch nicht gekommen ist. Doch sie sind verwahrt in den Briefen, die er mir geschrieben hat. Jedenfalls ist es Tatsache, dass die Generation von Bialik in mir ihren legitimen Erben gesehen hat.

All dies habe ich nur erwähnt wegen der großen Bedeutung, die mein Zusammensein mit diesen drei Giganten hatte, die zu den Vätern der modernen hebräischen Lyrik gehören. Zwar in literarischer Hinsicht wurde ich von keinem von ihnen beeinflusst, jedenfalls nicht nach Erscheinen meines ersten Buches, welches größtenteils, wie gesagt, aus meiner frühen Jugend stammt und daher zum großen Teil noch als unreife Frucht anzusehen ist.

Jedoch vom biographischen Gesichtspunkt her gesehen war das Zusammentreffen mit diesen Dichtern wichtig, vor allem mit der stolzen ethischen Persönlichkeit von Kahan, der mich wie einen Sohn liebte und von dem ich Lebensführung und Bescheidenheit lernte, nach seiner Maxime: „Niemals habe ich mich im Schmutz gewälzt“, was in anderen Worten bedeutet: „Halte dich fern von der Hässlichkeit und Ähnlichem!“ (Das bezieht sich auf Literatur und Öffentlichkeit. Er vermied nach Möglichkeit ein Erscheinen in der Öffentlichkeit. Er enthielt sich der Polemik – niemals hat er auf eine Kritik geantwortet – und dergleichen.) Eine Charakteristik von Kahan finden Sie in dem Gedicht, das ich ihm gewidmet habe. Es wurde zweimal gedruckt und ist auch in meinen „Variationen über ein verlorenes Thema“ mit enthalten.17

Bis ich zum Militär ging, beschäftigte ich mich mit verschiedenen Handwerken zum Broterwerb. Eine Zeitlang war ich Kühlungstechniker (in Firma Philco), und eine Zeitlang sogar Gerber. Aber die ganze Zeit bemühte ich mich, mein Talmudstudium nicht zu vernachlässigen, das mir ans Herz gewachsen war.

Beim Militär diente ich in einer Kampfeinheit und zeichnete mich als Soldat aus. Bis ich als Rekrut in den Kampf um Nizana zog,18 wo ich verwundet wurde. Daher gelang es mir nicht, das zu erreichen, was ich eine Zeit lang ersehnt hatte, nämlich Kampfoffizier zu werden.

Ich wurde von meiner Einheit überführt und diente als Kulturoffizier und Bibliothekar. Auch beteiligte ich mich noch am Sinai-Krieg,19 und dann wurde ich entlassen. Mein erstes Buch erschien, wie gesagt, noch während meiner Dienstzeit. Das Buch erhielt wunderbarerweise – denn bis dahin war ich fast unbekannt – eine gute Kritik und ist völlig vergriffen.

Einige Monate nach meiner Demobilisierung wurde ich vom Raw-Kook-Institut – ein bekannter religiös-wissenschaftlicher Buchverlag – aufgefordert, dort als Lektor zu arbeiten. Während dieser Zeit – zwei Jahre lang – studierte ich hebräische Literatur und Philosophie an der Universität Jerusalem. Zu dieser Zeit – 1960 – erschien auch mein zweites Buch „Gesicht des Geistes“,20 das zwar nicht vergriffen ist, aber einer ernsten Kritik für würdig befunden wurde. Wichtig ist vor allem der Essay von Jeschurun Keschet,21 der ein Essayist und Kulturmensch ersten Ranges ist und dessen Meinung Gehör findet. Dies ist ein großer Aufsatz, der ein weites Echo hervorrief.

Am dritten Tage des Monats Ijar 5919 (Mai 1959) erhielt ich die Rabbinerwürde von den „Großen Jerusalems“, und damit Sie, falls Sie es noch nicht gesehen haben, einen rabbinischen verschnörkelten Text nach der für solche Fälle üblichen Schablone sehen, will ich ihn hier wiedergeben. Vorausschicken möchte ich noch, dass Benyoëtz, wie Ihnen bekannt ist, mein literarischer Name ist, jedoch in meiner Identitätskarte lautet mein Name bis heute noch Koppel.

Es entspricht der Wahrheit, dass der Raw Elazar, Sohn des seligen Jeetz Koppel,22 gelernt und sich abgemüht hat beim Studium des Talmud und der frühen und späten Dezisoren,23 bis er zum Lehramt gelangte und nun ein Raw und Lehrer in Israel geworden ist. Auch besitzt er umfangreiche Kenntnisse im Talmud. Seine Gottesfurcht hat Vorrang vor seiner Bildung. Darum erteilen wir ihm die Würde eines Gelehrten und krönen ihn mit der Krone des Rabbinats und ich sage hiermit dem Raw Elazar Koppel:

Er soll lehren und lehren, Recht sprechen und Recht sprechen und als Raw und Lehrer fungieren in allen verstreuten Gemeinden Israels, und jede Gemeinde, die ihn als Raw und Lehrer annimmt, kann gewiss sein, dass er sie auf den Quellen der Thora leiten wird.

Unterschrift: Eliahu Rom, Haupt des Rabbinatsgerichtes Jerusalem.

Das war die letzte Ernennung zum Rabbinat, die dieser berühmte greise Gaon24 erteilt hat, der etwa sechzig Jahre lang Haupt des Rabbinats-Gerichtes von Jerusalem war. Zwei Wochen später ging er ins Jenseits hinüber. Sie können sich vorstellen, wie sehr ich mich bis zu diesem Ereignis im Talmudstudium abgemüht habe. Danach vernachlässigte ich ein wenig mein Studium. Aber gleichzeitig begann ich mit der Veröffentlichung von wissenschaftlicher Kritik über Bücher, die auf dem Gebiete der Wissenschaft vom Judentum erschienen. Ferner veröffentlichte ich auch viele literarische Essays und Kritiken. Zur gleichen Zeit erschienen meine Gedichte in allen literarisch wichtigen Zeitungen und Zeitschriften, wie in der literarischen Zeitschrift „Mosnaim“25 und in den Tageszeitungen „Dawar“, „Haaretz“, „Lamerchaw“, „Al Hamischmar“, usw. Von da ab begann ich mich mit einigen umfassenden Arbeiten zu beschäftigen. An erster Stelle eine umfassende Arbeit über die Sprache der Mischna, Einteilung aller Texte in Redensarten und Wortverbindungen – nicht in die üblichen Sprichworte –, und auf diese Weise entstanden hunderte neuer Sprichworte, dazu eine historisch-philologische Einleitung. Die Arbeit ist sehr groß und verlangt eine große Investition. Prof. Dow Sadan,26 der diese Arbeit dem Verlag des Kibbutz Meuchad empfohlen hat, ist es nicht gelungen, ihn zu einer so großen Investition zu veranlassen.

Doch nun erfolgte die große Wendung zur deutschen Literatur im Allgemeinen und der jüdischen Literatur in Deutschland im Besonderen. Da die deutsche Literatur auf der Universität nicht gelernt wird, musste ich sie mit meinen eigenen Kräften unter großer Mühe mir aneignen, und in Wahrheit kann gesagt werden, dass es außer einigen in Israel lebenden Germanisten niemanden gibt, der sich so wie ich in deutscher Literatur auskennt, vor allem, was die dortigen jüdischen Schriftsteller anbelangt. Ich habe mir auch eine Rubrik in der Tagespresse geschaffen zur Besprechung deutscher Schriftwerke und zur Kritik deutscher Literatur, woran das Publikum in letzter Zeit interessiert ist, sowie auch zur Besprechung von Werken über die jüdischen Schriftsteller, deren Schriften in letzter Zeit in Deutschland herausgegeben werden. Ich befasse mich vor allem mit dem Expressionismus. Dieser Tage erhielt ich eine Einladung zu einer Serie von Gesprächen über die jüdischen Schriftsteller in Deutschland im israelischen Rundfunk „Kol Israel“.

Jetzt möchte ich Ihnen mein zweites großes Werk, das ich „Anthologia Judaica“ nenne, erklären. Es zielt in erster Linie auf jüdische Literatur in deutscher Sprache ab, denn nur in ihr wurden große Werke seit dem Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen. Die Arbeit zerfällt in zwei Teile. Den ersten Teil bildet die Übersetzung einer Auswahl von Gedichten aller Dichter, kleiner und großer. Die Zahl der Dichter in dieser kurzen Periode beläuft sich auf etwa zweihundert. Der Name betont nach außen hin den Übersetzungscharakter der Arbeit. Denn nur das ist notwendig, aus dem einfachen Grunde, weil das Werk für den hebräischen Leser bestimmt ist, der keine Ahnung von Inhalten der Dichtungen hat. Die Übersetzungen sollen aber nur Unterlagen für den Text des Werkes bilden und diesen erläutern. Und konkretisieren. Der Zweck des Werkes ist ein wissenschaftlicher: Es soll auf ein doppeltes Phänomen hingewiesen werden: 1. das, was ich „Die Seelenwanderung des jüdischen Geistes“ nenne, und 2. die Symbiose zwischen jüdischem und deutschem Geist, die in unserer ganzen Geschichte nicht ihresgleichen findet. Die Intensität des jüdischen geistigen Schaffens in Deutschland, von Moses Mendelssohn bis zum Zweiten Weltkrieg und hauptsächlich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Nazikatastrophe, ist unvergleichlich größer als die des jüdischen Schaffens in Spanien im Mittelalter. Das Ziel ist also ein rein wissenschaftliches.

Der Anstoß zu dieser Arbeit ist ein nationaler. Denn es handelt sich hier um eine der wichtigsten Perioden in der Geschichte unseres Volkes, die noch nicht genügend erforscht ist. Und alles, was über diesen Gegenstand bisher gesagt wurde, ist nichts als „Literatur“. Die Arbeit wird noch eine weitere Auswirkung haben: Sie soll den Einfluss der deutsch-jüdischen Literatur auf die hebräische Literatur aufzeigen, unter dem von der Zeit der Aufklärung bis zum Zweiten Weltkrieg die meisten wichtigen Vertreter der neuhebräischen Literatur stehen.

Ich persönlich prüfe ausführlich zwei Erscheinungen, die besonderes wichtig sind: 1. das geistige Phänomen an und für sich, und 2. die literarische Beeinflussung. Zum zweiten Punkt gehört noch Folgendes: Der deutsche Expressionismus hat die angelsächsische Dichtung beeinflusst, diese Beeinflussung ist bisher noch nicht in ihrem ganzen Umfang untersucht worden. Es ergibt sich hieraus, dass die hebräische Literatur, die heute hauptsächlich unter angelsächsischem Einfluss steht, sich auch heute noch nicht ganz von ihren Bildungen mit der deutschen Literatur befreit hat, obgleich die junge Dichtergeneration in Israel größtenteils nicht mehr deutsch liest und die hebräische Lyrik heute direkt unter dem Einfluss der angelsächsischen Lyrik steht.

Dies ist die tiefe Wurzel der Tragödie des jüdischen Schicksals. Der Körper des Judentums wurde von Deutschland verstümmelt, und die Seele ist voll Widerwillen gegen Deutschland. Aber in geistiger Hinsicht löst es sich nicht los. Tatsache ist jedenfalls, dass der Einfluss der deutschen Literatur auf die hebräische am augenfälligsten ist. Nur einzelne Ausnahmeerscheinungen standen außerhalb ihres direkten Einflusses, wie z. B. Bialik. Zwar hat er Schillers Wilhelm Teil ins Hebräische und einige Gedichte Heines ins Jiddische übersetzt. Aber wenn er deutsche Literatur aufgenommen hat, so geschah dies durch Vermittlung einer russischen Übersetzung. Bis er dann ein selbständiger Dichter wurde und auf Beeinflussungen nicht mehr angewiesen war. Man muss auch erwähnen, dass der Einfluss der deutschen Literatur auch der segensreichste war, vielleicht deshalb, weil diese eigentlich die einzige Literatur war, die von den Zeitgenossen zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründlich aufgenommen wurde. Dazu kommt noch die Wissenschaft des Judentums in Deutschland, die im vorigen Jahrhundert tonangebend war und ohne die gar nicht auszukommen ist.

Einer der Gegenstände des Buches sind „Die Juden im Kreise von Stefan George“ – ein interessantes und ebenso schweres Sujet. Prof. Buber27 ermuntert mich vor allem zu diesem Gegenstand.

Natürlich soll meine ganze wissenschaftliche Arbeit der hebräischen Literatur dienen, indem nämlich der jüdische Geist in der deutschen Literatur diagnostiziert wird. Aber indirekt, in ihrem wissenschaftlich-soziologischen Teil, ist meine Arbeit geeignet, auch Licht auf die deutsche Literatur zu werfen – auf den deutschen Geist, der sich für eine Generation mit jüdischem Geiste vermählt und ihn nachher verraten hat.

Ich möchte noch eine ganz persönliche Sache bemerken: Die Idee dieser Arbeit entstand bei mir – aus zwei Gründen: 1. aus großer und intimer Liebe für einige jüdische Dichter deutscher Zunge und aus der Erkenntnis, des Wertes dieses Phänomens, die für unsere Selbsterkenntnis notwendig ist. 2. Ich bin einige deutsche Literaturlexika durchgegangen, ohne gewisse Namen zu finden, die ich bestimmt zu finden erwartet hatte. Da sagte ich mir: „Ihr habt den Körper verbrannt – ich werde die Seele retten!“

Ich muss bekennen, dass meine Arbeit ein literarischer oder poetischer Versuch geblieben wäre. Jedoch Prof. Martin Buber hat mich auf die Schwierigkeit der Probleme hingewiesen, und unter dem Einfluss meiner Gespräche mit ihm formte sich in meinem Geiste die wissenschaftliche Richtung der Arbeit. Die moralische Aufmunterung, die ich von Buber erhielt, ist gar nicht wichtig genug einzuschätzen. Dazu erfolgt[e] die ganze Förderung meiner Arbeit von seiner Seite ohne jedes Entgelt ??28 Ferner unterstützen mich in meiner Arbeit auch Max Brod,29 Prof. Hugo Bergman30 und einige hebräische Schriftsteller, wie Schin Schalom31. Aus Mangel an Mitteln bin ich gezwungen, meine Arbeit so einzuteilen, dass ich zunächst eine Auswahl von Gedichten derjenigen Dichter veröffentliche, die Erscheinungen eigener Art darstellen, wobei je ein Band nur ihnen gewidmet ist. Wo es sich aber nur um Mitläufer von Richtungen und Ähnliches handelt, bringe ich einige Dichter zusammen heraus, in Bereitung einer literarischen Skizze und einer bibliographischen Auswahl. Den literarisch-kritischen Teil will ich in einem großen Bande konzentrieren, der als Einleitung für die ganze Anthologie dienen und gleichzeitig eine Untersuchung für sich allein darstellen soll. Daraus ergibt sich, dass die Anthologie einige Bände erfassen wird. Das ist eine ungeheure Arbeit, die die Kräfte eines Mannes übersteigt. Ich weiß, dass ich das Werk nicht werde vollenden können – aber jemand musste beginnen, und ich bin derjenige. Ich hoffe, dass ich im Laufe der Zeit auch eine geeignete Hilfe bekommen werde.

Jetzt eine persönliche Erinnerung: Als ich sechs Jahre alt war – in demselben Jahr verlor ich auch meinen Vater – pflegte ich in den Straßen umherzuschweifen, Träume zu spinnen und Visionen zu sähen. Einmal kam ich zufällig zu dem kleinen Kinosaal „Sderod“ in Tel Aviv und schlich mich hinein. Draußen war Abend. Auch der Saal war dunkel. Auf der Bühne, zwischen brennenden Lichtern, stand eine Frau und las etwas vor in der Sprache von Narzissen und Anemonen. Die Frau war alt, und eigentlich – war dies die einzige Hexe, die ich jemals gesehen hatte. Sie war – so schien es mir – imstande zu fliegen und durch den Schornstein herauszufahren. Aber ihre Stimme und ihre Augen bezeugten, dass sie mir einen kleinen Mantel aus dem Himmel machen konnte. Und mir war damals kalt – wie kalt war mir doch! Sie küsste mich auf meinen Kopf und nannte mich „kleiner Joseph“. Sonst habe ich nichts verstanden, aber ich schöpfte die Blumen von ihren Lippen und steckte sie in die Tasche auf meiner Brust –

Die Blumen sind nicht verwelkt. Siebzehn Jahre später habe ich sie wieder in meinem Herzen gefunden. Heute gebe ich sie ihr zurück, der Else Lasker-Schüler, in ihrer geheimen Blumensprache – auf Hebräisch. Es ist dies ein Band von ihren Gedichten, den ich jetzt in Begleitung eines Aufsatzes herausbringen werde, wobei also Lyrik und Analyse verbunden sind.

Nach Lasker-Schüler beabsichtige ich noch drei Dichterinnen herauszubringen. 1. Margarete Susman. Allein die Existenz dieser wunderbaren Frau hat für mich tiefe Bedeutung.32 Ferner wird eine Auswahl von Gedichten der (umgekommenen) Gertrud Kolmar33 und von Nelly Sachs34 erscheinen, die noch am Leben ist. Ferner eine Auswahl von Gedichten von Karl Wolfskehl35 und Alfred Mombert,36 dessen Gedichte ich schon vor vier Jahren zu übersetzen begonnen habe.

Meine dritte große Arbeit habe ich genannt „Der unendliche Mensch“, Bemerkungen und Erläuterungen über die Logik im Irrationalen. Auszüge aus diesem Buch sind in verschiedenen Foren erschienen. Jedoch sein Erscheinen in Buchform halte ich auf, da Änderungen und Zusätze nötig sind. In allgemeinen Linien lässt sich das Buch in zwei Teile teilen: Erläuterungen über die Philosophie der Religion – und Grundlagen für eine neue Theorie der Lyrik.

Zum Schluss noch weitere „trockene“ Details. Ich war als Redakteur der Protokolle des israelischen Parlaments (Knesset) tätig, d. h. mit Stilisierung und Redigierung der Protokolle der Reden. Dieses Amt hatte ich bis vor einem Jahr. Danach befasste ich mich mit verschiedenen Redigierungsarbeiten, in der talmudischen Enzyklopädie usw. Jetzt arbeite ich in „Genasim“, dem Bio-Bibliographischen Institut beim Hebräischen Schriftstellerverbandes, das sich mit dem Ordnen der Briefe der Schriftsteller befasst, deren Archive dem Institut übergeben worden sind.37 Dies ist eine wissenschaftliche Arbeit von ungeheurem Wert für die Geschichte der Literatur.

Meine Veröffentlichungen sind folgende:

  1. Bücher.

    1. Zwiegespräch mit mir selbst (Gedichtband), 1957.

    2. Der Traum des Ozeans und seiner Strömungen (ein langes Gedicht, nur in 50 Exemplaren veröffentlicht 1961).38

    3. Gesicht des Geistes (Gedichtband), 1960.39

    4. Variationen über ein verlorenes Thema (Gedichtband), erschienen im Sept. 1961.40

An Übersetzungen aus deutschen Dichtungen:

Gedichte von Matthias Claudius, Friedrich Hölderlin, Ludwig Uhland (Balladen), C.F. Meyer (Balladen), Peter Hille, Max Dauthendey, R.A. Schröder, Georg Trakl, Georg Heym, Jakob Haringer, Gertrud von Le Fort u. a.

In letzter Zeit befasste ich mich mit der Übersetzung einer Auswahl von Aphorismen von Christian Morgenstern, wovon ein Teil veröffentlicht wurde.41 Morgenstern ist mir wert auch wegen seiner Nähe zu dem großen Anthroposophen Rudolf Steiner, mit dem ich durch meinen Freund Prof. Hugo Bergman bekannt wurde, der um Verbreitung der Lehre Steiners bemüht war, und sein Vortrag in der hiesigen Philosophischen Gesellschaft hat auch in der Welt großen Eindruck gemacht.

Anmerkungen

  1. Vergleiche dazu den Artikel von Jan Kühne, Anna Rosa Schlechter: „‚Anthologia Judaica‘. Zur Vorgeschichte der Bibliographia Judaica in Leben und Werk von Elazar Benyoëtz“, in Archiv Bibliographia Judaica – Deutschsprachiges Judentum Online, hrsg. von Archiv Bibliographia Judaica e. V. und Dieter Burdorf. Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2022 (erscheint) (https://www.degruyter.com/database/abj/html)

  2. Vergleiche im vorliegenden Band Jan Kühne, Anna Rosa Schlechter: „Bücherblühen. Anfänge aphoristischer Autorschaft bei Elazar Benyoëtz“. Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Judaica: Neue digitale Folge, Bd. 3, 2022, https://doi.org/10.36950/jndf.2022.16.

  3. Im Rahmen der Recherchen für ihre Doktorarbeit fand Anna Rosa Schlechter das deutschsprachige Typoskript im hebräischen Teil des Vorlasses von Benyoëtz im Literaturarchiv Wien. (https://www.onb.ac.at/bibliothek/sammlungen/literatur/bestaende/personen/benyoetz-elazar-geb-1937) Das hebräische Original, beziehungsweise der Briefwechsel mit Mittelmann, dem dieser Text auszugsweise entnommen ist, konnte bisher nicht gefunden werden.

  4. Jacob Markus/Mordechai Mittelmann (1910 Leipzig [?] – 1975 Bat Yam), Übersetzer und Rechtsanwalt. Promovierte 1934 an der Universität Leipzig zum Thema: Der altisraelitische Levirat. Eine rechtshistorische Studie. Flucht nach Palästina, dort 1939 zum Rechtsanwalt ordiniert. Übersetzte in den 1940er und 1950er Jahren zahlreiche Bücher aus dem Deutschen und Englischen ins Hebräische, ab den 1960er Jahren auch aus dem Hebräischen ins Deutsche, darunter Gedichte von Jakob Cohen und Benyoëtz (veröffentlicht in der von Max Rychner herausgegebenen Züricher Zeitung Die Tat), sowie 1964 die von ihm herausgegebene und übersetzte Anthologie herausragender israelischer Schriftsteller: Hebräische Erzähler der Gegenwart (Zürich: Manesse Verlag). Neben weiteren einflussreichen Übersetzungen übersetzte Mittelmann unter anderem drei israelische Opern: Menachem Avidoms Alexandra sowie von Josef Tal Ashmedai und Die Versuchung.

  5. Benyoëtz äußerte sich dazu folgendermaßen: „Diese autobiographische Skizze war ursprünglich auf Hebräisch geschrieben und wurde von Dr. Jacob Mittelmann ins Deutsche übersetzt. Die Skizze war für Margarete Susman bestimmt, nach der ersten Berührung mit ihr geschrieben. Dr. Jacob Mittelmann, der immer wieder nach Zürich reiste, hatte ihr Anfang der 1960er die ersten Grüße von Elazar Benyoëtz überbracht.“ E-Mail an Claudia Welz (01.02.2022), der hier – neben dem Dichter selbst – für die Abdruckgenehmigung und die freundliche Zusammenarbeit gedankt sei.

  6. Dies erklärt auch die Schreibung von Benyoëtz’ Namen als „Benjoetz“, der erst später als „Benyoëtz“ transkribiert wurde.

  7. Für den Bestand, siehe den Katalog der Universitätsbibliothek der Hebräischen Universität: https://huji-primo.hosted.exlibrisgroup.com/primo-explore/search?query=lsr06,contains,Benyoëtz,%20Elazar,AND&tab=default_tab&search_scope=default_scope&sortby=rank&vid=972HUJI_V1&lang=en_US&mode=advanced&offset=0

  8. Für die Zeit vor Benyoëtz’ Aufbruch nach Deutschland relevant wäre bspw. der Briefwechsel mit Manfred Schloesser im Literaturarchiv Wien.

  9. Der vorliegende Auszug aus einem ursprünglich hebräischen Brief wird hier in der Übersetzung von Jacob Mittelmann wiedergegeben, die im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien vorliegt (Sign.: LIT 387/11), mit der Anmerkung: „Elazar Benjoez, Autobiographische Mitteilungen, enthalten in einem Schreiben an Dr. Jakob Mittelmann (gefunden bei Margarete Susman)“.

  10. Else Lasker-Schüler, in סולם [Sulam] 12 (Juli 1960), 9.

  11. So im Original; gemeint ist eventuell „Schulbildung“.

  12. Religiöse Volksschule für Jungen, benannt nach der zionistischen Bilu-Bewegung, die für die erste Einwanderungswelle in Palästina verantwortlich war und dort unter anderem Rishon LeZion gründete. Die Schule war aktiv in den 1930er- bis 1960er-Jahren und wurde von Haim Mishori (Mishorowicz) gegründet.

  13. Mesillat Jescharim (מסילת ישרים, wörtlich „Pfad der Aufrechten“), ethischer Lehrtext des einflussreichen Rabbiners Moshe Chaim Luzzatto (1707–1746) und sein einflussreichstes Werk, das zum Kanon traditioneller Jeschiwa-Ausbildung gehört.

  14. David Shimoni (1891 Bobruisk – 1956 Tel Aviv), hebräischer Dichter, Schriftsteller und Übersetzer ins Hebräische, etwa von Heine und Tolstoi. Nebst zahlreichen Auszeichnungen u. a. Bialik-Preisträger.

  15. Zalman Shneour, Pseudonym von Shneur Zalkind (1887 Schklou – New York 1959), Dichter und Schriftsteller; gilt als ein Wegbereiter moderner, säkularer hebräischer Literatur, seinerzeit Nobelpreisnominierter.

  16. Ya’akov Cahan (1881 Sluzk – 1960 Tel Aviv), Autor und Dichter, übersetzte ins Hebräische u. a. Heines „Hebräische Melodien“ und Goethes Dramen. Gehört insbesondere durch seine lyrischen Dramen zu den Klassikern der neueren hebräischen Literatur (Elazar Benyoëtz, Allerwegsdahin. Mein Weg als Jude und Israeli ins Deutsche, Arche: Zürich/Hamburg 2001, 98, 100 und 407.)

  17. Elazar Benyoëtz, וריאציות על נושא אבוד: שירים [Variationen über ein verlorenes Thema: Gedichte], Jerusalem/New York: Anthologia Judaica 1961, 27.

  18. Im Zuge der israelischen Militäroperation „Vulkan“ wurden vom 2. bis 3. November 1955 ägyptische Kräfte aus dem Einzugsbereich von Nitzana / Auja al-Hafir angegriffen und vertrieben. Es war die erste große militärische Aktion seit dem israelischen Unabhängigkeitskrieg.

  19. Auch Suez-Krise oder Sinai-Feldzug gegen Ägypten, an dem sich 1956 internationale Streitkräfte beteiligten, darunter Frankreich und Großbritannien.

  20. Elazar Benyoëtz, ראות רוח: שירים [Gesicht des Geistes], Tel Aviv: Neuman 1959.

  21. „Die Propheten oder die Poesie des Geistes“, übers. von Jacob Mittelmann, undatiert. Befindet sich in der Elazar-Benyoëtz-Autorenbibliothek am Franz Rosenzweig Minerva Zentrum.

  22. Yoetz Koppel (1897 Wiesen – 1943 Tel Aviv) kam aus der jüdischen Großfamilie der Koppels, die um die Jahrhundertwende aus Wiesen nach Wiener Neustadt zog.

  23. Der Begriff „Dezisor“ (hebr.: Posek, פוסק; pl. Poskim, פוסקים) bezeichnet einen jüdischen Gelehrten, der aufgrund seines Talmudstudiums bindende Entscheidungen (Pessakim) bei der Auslegung von religiösen Gesetzen treffen kann, die die jüdisch-orthodoxe Lebensführung (Halacha) betreffen.

  24. Gaon (Pl. Geonim; bibelhebr.: „Pracht“ oder „Exzellenz“; modernhebr.: „Genie“), Leiter der Talmudakademien in Babylonien vom 6. bis 11. Jahrhundert.

  25. „Moznaim“ ist seit seiner Gründung im Jahre 1928 das offizielle Organ des Hebräischen Schriftstellerverbands.

  26. Dov Sadan (Stock) (1902 Brody – 1989 Jerusalem), bedeutender israelischer Literaturkritiker sowie Politiker und Knesset-Abgeordneter für die linke zionistische HaMa’arach Fraktion (1965–68 und 1969–1991).

  27. Gemeint ist der für seine dialogische Philosophie bekannte Martin Buber (1878 Wien – 1965 Jerusalem), der an der Hebräischen Universität in Jerusalem bis 1951 Anthropologie und Soziologie unterrichtete.

  28. Fragezeichen im Original, vermutlich Hinweis auf eine Rückfrage des Übersetzers an den Autor.

  29. Max Brod (1884 Prag – 1968 Tel Aviv), seinerzeit erfolgreicher deutschsprachig-jüdischer Schriftsteller, zudem Theater- und Musikkritiker. Bekannt wurde er u. a. als Herausgeber von Franz Kafkas Werken.

  30. Samuel Hugo Bergmann (1883 Prag – 1975 Jerusalem), Schriftsteller, Bibliothekar und Philosoph. Gehörte, wie Brod, zum Prager Kreis und unterrichtete Philosophie an der Hebräischen Universität in Jerusalem, deren erster Rektor er war.

  31. Pseudonym von Shalom Joseph Shapira (1905 Parczew – 1990 Israel), mehrfach ausgezeichneter israelischer Schriftsteller und Übersetzer, der unter anderem Shakespeares Sonette ins Hebräische übersetzte und mit Max Brod das Libretto der ersten israelischen Oper Dan Ha-schomer [„Wachmann Dan“] schrieb, die von Marc Lavry komponiert wurde. Brod übersetzte mehrere Gedichte von ihm ins Deutsche. Er stand im Briefwechsel mit Paul Celan und Nelly Sachs.

  32. Während seiner Anstellung am Rav Kook Institut in Jerusalem (1958–1960) stieß Benyoëtz in HaShachar (Der Morgen) auf Margarete Susmans Aufsatz Kafka und das Hiobproblem. Kurz vor ihrem 85. Geburtstag übersetzte er einige Gedichte ins Deutsche und ließ sie drucken, bevor er sie zum ersten Mal in der Schweiz besuchte. Sie wurde zu einem literarischen Vorbild für den jungen israelischen Autor und sollte ihn in seinen frühen Jahren erheblich beeinflussen, was sich auch in der Übersetzung ihrer Gedichte zeigt. Vgl. Benyoëtz’ autobiographische Darstellung in Elazar Benyoëtz, Aberwenndig. Mein Weg als Israeli und Jude ins Deutsche. Würzburg: Königshausen & Neumann 2017, 103: „Die Seherin von Zürich / Oder: / Wie ich zu Margarete Susman kam“.

  33. Pseudonym der deutschen Lyrikerin und Schriftstellerin Gertrud Käthe Chodziesner (1894 Berlin – 1943 Auschwitz). Zu ihrer Zeit kaum bekannt, gilt sie heute als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts.

  34. Nelly (Leonie) Sachs (1891 Schöneberg – 1970 Stockholm), deutsch-schwedische Lyrikerin und Literaturnobelpreisträgerin (gemeinsam mit S.Y. Agnon 1966). Siehe u. a. Nelly Sachs, Viele Meere im Sande verlaufen. Wenn der Atem (Fahrt ins Staublose. Die Gedichte der Nelly Sachs. Frankfurt a. M. 1961, 229 und 312), übersetzt von Elazar Benyoëtz, in Hazofeh (15.12.1961). Vgl. auch den Brief in Elazar Benyoëtz, Vielzeitig. Briefe 1958-2007. Bochum: Brockmeyer, 2009: 23f.

  35. Karl Wolfskehl (1869 Darmstadt – 1948 Auckland), deutscher Schriftsteller und Übersetzer, sowie Teil des George-Kreises.

  36. Alfred Mombert (1972 Karlsruhe – 1942 Winterthur), deutscher Lyriker und Schriftsteller, der vor allem von Stefan George und Rainer Maria Rilke beeinflusst war.

  37. Das Literaturarchiv Gnazim des Hebräischen Schriftstellerverbandes wurde auf die Initiative von Asher Barash 1951 gegründet. Siehe auch https://www.gnazim.org/en/.

  38. Elazar Benyoëtz, חלום האוקינוס ומשבריו [Der Traum des Ozeans und seiner Strömungen], Jerusalem: Yehuda Printing, 1961.

  39. Elazar Benyoëtz, ראות רוח: שירים [Gesicht des Geistes], Tel Aviv: Neuman 1959.

  40. Elazar Benyoëtz, וריאציות על נושא אבוד: שירים [Variationen über ein verlorenes Thema: Gedichte], Jerusalem/New York: Anthologia Judaica, 1961.

  41. „Gedanken über den Menschen und den aufsteigenden Pfad“, aus „Stufen“, in Hapoel Hazair 37 (1961).